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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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bringen. Eher würden sie uns in die Irre führen, geradewegs in einen sicheren Tod.«
    »Dann werden wir Ngore auch ohne Hilfe finden«, sagte Gorma bestimmt. »Auf, Amazonen! Bringt die Boote wieder ins Wasser!«
    Doch statt ihrem Befehl Folge zu leisten, hoben die Kriegerinnen die Arme und zeigten mit weit aufgerissenen Augen in den Himmel.
    Gorma wirbelte herum.
    Überall über dem Meer befanden sich Entersegler. Sie kamen nicht an die Insel heran, und es war gerade so, als begnügten sie sich damit, das Gewässer zwischen den einzelnen Inseln zu bewachen.
    »Laßt nur ein Boot zu Wasser«, orakelte Sosona, »und sie werden sich darauf stürzen und nichts von euch übrig lassen.«
    »Warum?« wollte Gudun wissen. »Weshalb greifen sie uns jetzt nicht an? Sie sehen uns doch!«
    »Sie sind nicht nur vor uns«, sagte Sosona. »Seht, wie sie beginnen, die Insel zu umkreisen.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Es gibt nur zwei Erklärungen für ihr Verhalten. Entweder wollen sie uns hier festhalten, oder…«
    »Was, oder?«
    »… oder sie bewachen etwas, das dieses Eiland birgt.«
*
    Sie waren gefangen, aber für Gudun ergaben Sosonas Worte keinen rechten Sinn.
    »Falls sie etwas zu bewachen haben, werden sie uns kaum hier dulden«, sagte sie.
    »Vielleicht nur, bis wir das Geheimnis der Insel entdeckt haben«, murmelte Gorma finster.
    »Wir werden sie verlassen, sobald sich uns die Möglichkeit dazu bietet«, sagte Sosona. »Aber dies jetzt zu versuchen, wäre gleichbedeutend mit unserem Tod. Zaem und Burra mögen sich in großer Not befinden – doch Tote können ihnen nicht zu Hilfe kommen.«
    Das mußten auch die Kriegerinnen einsehen. Widerstrebend blickten sie sich um. Zwar war ihnen vorerst der Weg nach Ngore versperrt, doch stand ihnen der Sinn nicht nach Nichtstun.
    »Wir sollten uns umsehen«, schlug eine Amazone vor. »Vielleicht entdecken wir dabei etwas, das die Entersegler herbeigelockt und das Meer freigeben läßt.«
    »Damit sie uns hier zerreißen?«
    »Es ist immer noch besser, wenn ein paar von uns nach Ngore gelangen, als gar keine!«
    »Sie hat recht«, knurrte Gorma. »Unser Leben für das der Zaem! So wurde es immer gehalten, und so muß es auch weiterhin sein!« Sie blickte zur Ebene zwischen den Hügeln hinüber. »Die Insel ist nicht groß. Wir versuchen, sie ganz zu umgehen, am Ufer entlang. Ich möchte nicht an den Dämpfen ersticken, die dort aus dem Boden kommen.«
    Sosona nickte. Als sich auch Gudun einverstanden erklärte, brach der zusammengeschrumpfte Trupp in südlicher Richtung auf.
    Und keine zweihundert Schritte waren sie gegangen, als eine von ihnen etwas entdeckte, das die Amazonen selbst die Entersegler vorübergehend vergessen ließ.
    »Hier!« rief die Kriegerin. »Eine Spur im Schlamm!«
    »Von einem Menschen?« rief Gorma.
    Kein Mensch hinterließ solche Fußabdrücke, wie sie hier in den Uferschlamm gestampft worden waren. Gorma erschauerte. Sosona ging an ihr vorbei und beugte sich über die Spur, die, vom Meer her kommend, geradewegs auf die dampfende Ebene zuführte, von wo auch die unheimlichen Geräusche kamen.
    »Kannst du erkennen, zu welchem Wesen sie gehört?« fragte Gudun.
    »Ich will es versuchen«, verkündete die Hexe.
    Und mit den Mitteln der Weißen Magie beschwor sie das Bild des Geschöpfes herauf, das vor nur kurzer Zeit hier gegangen sein mußte. Einer ihrer Hexenringe leuchtete strahlend auf, als sie ihn an ihrem Finger drehte. Sosona schloß die Augen, versank in eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Tag und Nacht, Gestern und Morgen. Ihr Geist war in farbige Nebel gehüllt, aus denen sich ganz allmählich ein Bild herauskristallisierte – verschwommen und bruchstückhaft zunächst, dann immer deutlicher.
    Sie sah die Spuren im Schlamm, dann die Füße, die sie hinterlassen hatten, mächtige Füße mit langen, schwarzen Zehennägel.
    Und die Gestalt wuchs an diesen Füßen empor.
    Sosona sah gewaltige, über und über mit Muskeln bepackte Beine, grau und wie aus Stein gehauen. Sie sah ein stämmiges Becken, einen mächtigen Brustkorb, einen Oberkörper, aus dem zu beiden Seiten jeweils zwei Arme herauswuchsen.
    Vier Arme, darüber breite, ebenso muskulöse Schultern und ein Echsenschädel. Sosona riß die Augen auf. Sie wich vor den Spuren zurück.
    »Was ist?« fragte Gudun schnell. »Was hast du gesehen?«
    »Er ist es«, brachte die Hexe nur flüsternd hervor. »Er war hier, und er mag immer noch auf der Insel sein. Er kam mit den

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