Das Nest des Teufels (German Edition)
Schluss gekommen, dass Weißrussland der bessere Standort für seine schmutzigen Geschäfte war. Gegen die Verbrechen, die dort geschahen, war selbst Europol machtlos. Gezolian verstand sich blendend mit dem Präsidenten seines Landes, was in der Praxis bedeutete, dass er über dem Gesetz stand.
Da ich nichts tun konnte, setzte ich mich wieder an den Tisch. Der Espresso war kalt geworden und schmeckte bitter. Ich strengte mich an, um wenigstens Bruchstücke des Gesprächs zwischen Julia und ihrem Vater zu verstehen. Es schien um die bevorstehende Hochzeit zu gehen. Gezolian wollte, dass sie in Witebsk stattfand, aber Julia zögerte.
Seit ich den Dienst als Julia Gerbolts Leibwächterin angetreten hatte, war keine einzige Freundin bei ihr zu Besuch gewesen. Alle Gäste waren Geschäftsfreunde von Syrjänen. Zuerst hatte ich geglaubt, Julias Bekannte seien in Russland zurückgeblieben, dann hatte ich mich gefragt, ob sie überhaupt welche hatte. Doch ihren Vater liebte Julia Gerbolt, und er liebte sie, das konnte selbst dem Dümmsten nicht entgehen. Darin lag der größte Unterschied zwischen uns. Ich hasste meinen Vater, obwohl ich ihn seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Vanamos Geburt war die Folge des zweiten Ausbruchs meines Vaters aus der psychiatrischen Anstalt für Gefangene. Auf seiner Flucht war mein Vater in ein Bauernhaus in Tuusniemi eingebrochen, um sich etwas zu essen zu holen, und hatte die siebzehnjährige Saara vergewaltigt, die wegen einer Bronchitis im Bett lag und so dumm gewesen war, mit einem Besen auf den Einbrecher loszugehen. Saaras Familie gehörte der Sekte der Laestadianer an, die Vergewaltigung wurde als unerklärlicher Wille Gottes gedeutet, und Vanamo kam zur Welt, denn eine Abtreibung galt unter allen Umständen als Sünde.
Als ich das erste Mal nach Tuusniemi gefahren war, um Vanamo zu sehen, war Saara nicht zu Hause gewesen, sondern bei der Arbeit in einem Buchhaltungsbüro in Kuopio. Ich hatte mich vorher nicht mit Saara in Verbindung gesetzt, weil ich fürchtete, sie würde mir verbieten, Vanamo zu sehen. Ich wusste nicht einmal, ob man dem Mädchen erzählt hatte, wie ihr Leben begonnen hatte. Als ich Vanamo vor dem Haus traf, hatte sie gefragt, wer ich sei. Ich hatte geantwortet, ich sei Hilja aus Helsinki und wolle ihre Mutter besuchen. Vanamo führte mich in die Wohnküche, an deren Fenstern Eisblumen glitzerten.
«Mutti ist nicht zu Hause, aber Oma ist da.»
Eine schlanke Frau mit Kopftuch schob gerade ein Blech Zimtschnecken in den Ofen. Sie zuckte zusammen, als sie mich sah. Die Ähnlichkeit zwischen mir und ihrer Enkelin war ihr nicht entgangen.
«Guten Tag … Worum geht es? Springt Ihr Wagen bei der Kälte nicht an, oder sind Sie im Schnee stecken geblieben? Mein Mann hält Mittagsschlaf, aber ich kann ihn wecken, wenn ein Traktor gebraucht wird.»
Ich hatte den Wagen hinter den Wirtschaftsgebäuden geparkt, und Frau Huttunen hatte natürlich vom Fenster aus gesehen, dass eine fremde Frau zu Fuß auf den Hof kam.
«Mit meinem Wagen ist alles in Ordnung. Ich suche Saara Huttunen. Es geht um meinen Vater Keijo Kurkimäki, ehemals Suurluoto.»
Die Frau nahm den Schürhaken, öffnete die Ofentür und stocherte in den glimmenden Kohlen. Der Haken begann zu glühen, man hätte damit einem Menschen ein Brandzeichen aufdrücken können.
«Von ihm wird in diesem Haus nicht gesprochen. Er ist also Ihr Vater. Gott behüte Sie. Vanamo, geh mal nachsehen, ob Opa noch schläft. Das hier ist seine Sache.»
Nachdem das Mädchen folgsam gegangen war, wandte sich die Frau von mir ab. Sie hatte bereits einige graue Haare, ihr langer Zopf war zu einem Knoten aufgesteckt, der unter dem Kopftuch hervorschaute. Ihre graue Strickjacke war verfilzt, der Rock, in undefinierbarem Braun, reichte bis über die Knie, ihre Füße steckten in Filzpantoffeln, denn von dem mit Flickenteppichen belegten Boden stieg Kälte auf. In diesem Haus, vielleicht hier in der Wohnküche, hatte mein Vater seine Untat begangen. Damals war es Herbst gewesen, an den Bäumen hatte noch gelbes Laub gehangen. Die Huttunens waren ins Kirchdorf gefahren, um ihren Hund Vili impfen zu lassen. Deshalb war Saara nicht gewarnt worden, als der Teufel ins Haus kam.
Markku Huttunen war ein breitschultriger, hellblonder Mann mit tiefen Druckstellen zu beiden Seiten der Nase. Er blinzelte verwirrt, bis seine Frau ihm die Brille reichte. Dann musterte er mich, gab mir aber nicht die Hand. Das hatte auch
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