Das Netz Der Grossen Fische
Ermittlungsbenachrichtigung betrachtet werden müssen. Das ist eine außerordentlich ernste Angelegenheit, denn in diesem Fallwird eine gewisse Anzahl vager Einzelheiten, die nichts miteinander zu tun haben, an einem bestimmten Punkt in Zusammenhang gebracht und in einen konkreten Akt umgewandelt. Und eben dieser konkrete Akt, die Ermittlungsbenachrichtigung, zwingt zu einer gründlichen Überprüfung besagter Einzelheiten, die ihr zu Grunde liegen.«
»Und wie sollte man Ihrer Meinung nach vorgehen?«, fragte Aurora Campisi von »Telepanoramus«.
»Vor allem sollte man damit beginnen, die Auswirkungen zu beseitigen.«
»Können Sie uns dieses Konzept etwas näher erläutern?«, fragte Scandaliato.
»Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn jemand, der schon in der Vergangenheit unter Mordverdacht stand, erneut eine Ermittlungsbenachrichtigung wegen Mordes erhält, dann ist es klar, dass der erste Verdacht seinen Schatten auf die aktuellen Anschuldigungen wirft.«
»Mir ist nicht bekannt, dass Manlio Caputo in der Vergangenheit verdächtigt wurde, eine Verlobte ermordet zu haben«, sagte Corrado Panna von der Zeitung »Giornale di Sicilia«, der immer den Mann mit Esprit spielte.
Und natürlich lachten alle. Auch Massimo Troina lachte.
»Sie wollen, dass ich Ihnen das erkläre? Ich wollte ganz einfach nur sagen, dass, wenn die vorhandenen Indizien bisher mit dem Vergrößerungsglas betrachtet worden sind, es nun gut wäre, sie genau zu untersuchen.«
»Sie schließen also aus, dass die Indizien so betrachtet wurden, wie sie sind, mit bloßem Auge«, sagte Saverio Moncada, der Korrespondent des »Corriere della Sera«, der zweifellos der Scharfsinnigste unter den Anwesenden war.
Das war keine Frage, sondern eine Schlussfolgerung. Caruso bewunderte ihn. Moncada war auf Augenhöhe mit Troina. Mit diesem einfachen Satz zwang er den Rechtsanwalt, aus der Deckung zu kommen. Vergrößerungsglas, hatte Troina gesagt. Ein Gegenstand, der die Dinge vergrößerte, der sie einem nicht in den richtigen Ausmaßen und Verhältnissen zeigte. Hatten Polizei wie Staatsanwaltschaft die Dinge absichtlich vergrößert sehen wollen, weil es sich bei dem Verdächtigten um den Sohn eines bedeutenden Politikers handelte? Troina lächelte, er hatte begriffen, worauf Moncada hinauswollte. Und er verstand es, Moncadas Bemerkung zu seinen Gunsten zu wenden.
»Ich habe den Begriff ›Vergrößerungsglas‹ gebraucht statt ›mit bloßem Auge‹, weil ich dadurch die Gewissenhaftigkeit hervorheben wollte, mit der die Ermittlungen geführt worden sind. Wenn allerdings jemand in meinen Worten einen verborgenen Hintersinn erkennen will, kann ich ihm das natürlich nicht verwehren.«
Doch nichtsdestotrotz hatte er gesagt: Vergrößerungsglas. Und das war das Wort, das jeder Journalist wiederholen würde.
Danach gab es noch zwei oder drei belanglose Fragen, und die Pressekonferenz war zu Ende. Für Caruso war Troinas Schachzug klar: Er hatte der ermittelnden Behörde eine Warnung zukommen lassen. Auswirkungen, Vergrößerungsglas … Übersetzt lautete seine Botschaft: Auch wenn ihr bisher so getan habt, als würde die Politik eure Arbeit nicht beeinflussen, von jetzt an gebt gut acht, wie ihr euch verhaltet. Wir haben euer Spiel durchschaut, wir wissen jetzt, welche Trümpfe ihr in der Hand habt, und wir sind in der Lage zu parieren.
»Und was hattest du heute für einen Eindruck von Alfio?«, fragte Giuditta ihn.
Sie lagen beide nackt auf dem Bett und rauchten. Inzwischen war ihnen die Zigarettenpause vor der zweiten Runde zur Gewohnheit geworden, der zweiten Runde, die gewöhnlich durch die dann zahllosen Vorstöße in die Tiefe noch furioser war als die erste.
»Er war ruhiger. Offensichtlich hast du ihn vergangene Nacht ganz gut gezähmt.«
Giuditta tat, als hätte sie es nicht gehört.
»Was ist das für eine Geschichte, die du da am Telefon angedeutet hast, dass Alfio dahintergekommen wäre, dass wir beide …«
»Nein, nicht wir beide.«
»Entschuldige, aber jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
»Cate hat mir gesagt, einem Gerücht zufolge wäre Alfio dahintergekommen, dass du ihn mit einem Abgeordneten betrügst.«
»Mit einem Abgeordneten?!«
Sie wirkte aufrichtig überrascht. Aber vertrau mal einer Frau wie Giuditta!
»Und wer soll das sein?«
»Das weiß sie nicht.«
»Ein Abgeordneter von hier oder aus Rom?«
»Auch das weiß sie nicht.«
»Und du glaubst das?«
»Sag du mir, ob ich das glauben soll oder
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