Das Netz Der Grossen Fische
ist die …«
»Ich weiß, was das ist! Aber es ist ja nur der Aufhänger, der übereinstimmt! Hör mir zu! Es kostet dich doch nichts.«
»Es kostet mich meinen Schlaf.«
»Ich bitte dich!«
Michele antwortete nichts, und der andere erzählte weiter.
»In der Wohnung der jungen Frau entdeckt die Polizei vier Notizbücher, aber die verschwinden gleich aus dem Büro des ermittelnden Staatsanwalts.«
»Nein, jetzt reicht’s, Gabriè! Du trampelst mir wirklich auf den Nerven rum!«
»Michè, wenn ich dir sage, wer sie hat verschwinden lassen,glaubst du mir dann, dass meine Story eine ganz andere Richtung nimmt?«
Michele hatte sofort begriffen, zu welchen Tricks der andere Zuflucht nahm, und eigentlich wollte er ihn nicht weiterreden lassen, doch seine Neugier siegte über seinen Missmut.
»Wer war es?«
»Die hat irgendein kleiner Schreiberling gestohlen, ein eingeschleuster Mafioso, und der hat sie zu dem Bruder von Marco Piro gebracht, einem Mafiaboss, der sie natürlich an Piro weitergibt. In diesen Notizbüchern steht der Name von Elenas Geliebtem, einem Mann, sagen wir, er heißt Angelo Fera, der seit ihrem achtzehnten Lebensjahr etwas mit ihr gehabt hat und die Beziehung mit der jungen Frau auch nach ihrer Verlobung mit Filippo Ragusa weiterführt. Über diese Beziehung ist Elenas Vater von Anfang an im Bilde. Und in dem Notizbuch stößt er auf den Eintrag einer Verabredung seiner Tochter mit Angelo genau an dem Tag und zu der Stunde, in der sie ermordet wurde. Er hat keinen Zweifel: Angelo ist der Mörder. Und er hat einen Plan, wie er Kapital aus der Situation schlagen kann. Daher wendet er sich nicht an die Justiz, sondern saust nach Rom, zu einem Freund, einem alten Senator der einstigen Christdemokraten, der die einflussreichste Persönlichkeit in der Mehrheitspartei auf Sizilien ist. Von diesem Augenblick an wird der Senator, nennen wir ihn mal Cuttitta, zum Drahtzieher der gesamten Operation. Und er beginnt, die Figuren dieses Schachspiels herumzuschieben. Er schickt Marco Piro zu Angelo Fera, um ihn zu erpressen. Der Mann gesteht, das Mädchen umgebracht zu haben, weil er in sie verliebt war, sie ihn jedoch wegen ihres Verlobten verlassen wollte. Unterdessenschließt der Senator einen Deal mit Giuseppe Ragusa ab: Sein Sohn Filippo wird von den Vorwürfen reingewaschen, wenn Ragusas Partei ein Vorhaben unterstützt, das nicht nur der Mehrheitspartei wirtschaftliche Vorteile einbringt, sondern auch Ragusas linker Partei. Ragusa willigt ein. Auch der ermittelnde Staatsanwalt, dem völlig klar ist, dass die von ihm gegen Filippo erhobenen Vorwürfe auf tönernen Füßen stehen, wird ins Boot geholt. Jetzt, wo so weit alles vorbereitet ist, wird Angelo Fera garantiert, dass er nicht ins Gefängnis muss, wenn er vom Vorsitz der wichtigsten Bank Siziliens zurücktritt und sein Aktienpaket an Marco Piro, den Vater der ermordeten jungen Frau, abtritt. Und an diesem Punkt ist das Spiel zu Ende.«
»Und wie gehen in deinem Drehbuch die Ermittlungen über den Mord aus?«, fragte Michele.
»Man findet heraus, dass der Mord vom Geliebten des Mädchens begangen wurde, der sich zurückgewiesen sah. Ganz genau so, wie es in Wirklichkeit war. Wie die alten Vermieter der Ermordeten ausgesagt haben, hatte das Mädchen einen Geliebten, einen etwas älteren Mann. Weil sie ihm mehrmals begegnet sind, konnten sie ihn auch bis ins kleinste Detail beschreiben. Nur dass die genaue Beschreibung der Vermieter nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit dem äußeren Erscheinungsbild Angelo Feras hat.«
»Mit wem denn dann?«
»Mit einer Person, die den Kopf verliert, als der Commissario sie aufsucht, und Selbstmord begeht. Das ist die Story. Allerdings bin ich noch unschlüssig, wie der Film enden soll. Ich weiß nicht, ob ich mit der Entdeckung des Mörders abschließen soll, der sich das Leben nimmt, oder mit dem Commissario, der seine Niederlage eingesteht und sagt, derMord an dem Mädchen sei ein unlösbarer Fall. Was hältst du davon?«
»Überhaupt nichts.«
»Warum?«
»Das ist kein Film über ein aktuelles Thema, das ist Politfiction. Das ist doch alles völlig unglaubwürdig, zu viel Fantasie, zu viel an den Haaren Herbeigezogenes.«
»Meinst du?«
»Da bin ich mir sicher.«
»Nicht einmal, wenn ich es jemandem erzähle …«
»Wem denn? Je weniger du herumerzählst, umso besser für dich. Weißt du, was dir nämlich passieren kann? Dass Filippo Portera von diesem ›Drehbuch‹ erfährt. Du siehst, ich
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