Das Netz Der Grossen Fische
gesprochen. Und weil Amalia die erste gemietet hatte, haben alle gedacht, auch die zweite wäre eine Mietwohnung gewesen. Doch ich habe noch mal recherchiert und herausgefunden, dass das nicht stimmt. Sie hatte die Wohnung gekauft. Und sogar viel Geld dafür bezahlt.«
»Sie hat ihren Vater also überreden können …«
»Das Geld stammte nicht von ihrem Vater. Seit Amalia von zu Hause ausgezogen war, hat ihr Verhältnis zu ihm deutlich gelitten.«
»Weißt du auch, warum sie sich zerstritten haben?«
»Ja, weiß ich.«
»War es etwas Ernstes?«
»Außerordentlich ernst.«
»Nämlich?«
»Er hatte herausgefunden, dass Amalia einen Geliebten hatte. Als weder Bitten noch Drohungen halfen und sie sich nach wie vor nicht von ihm trennen wollte, hat er sie rausgeschmissen.«
»Entschuldige mal, wusste er denn, wer der Geliebte war?«
»Ja.«
»Und da konnte er nicht zu ihm gehen, ein ernstes Wort mit ihm reden und sagen, dass er Amalia in Ruhe lassen soll?«
»Hat er ja.«
»Und wie ist es ausgegangen?«
»Der andere hat ihm gesagt, er könne ihn mal kreuzweise. Amalia sei volljährig – sie war damals gerade achtzehn –, und er, der Geliebte, sei nicht verheiratet und daher niemandem Rechenschaft schuldig. Signor Sacerdote solle sich damit abfinden: Ein Skandal hätte ausschließlich seiner Tochter geschadet.«
»Und daraufhin hat er sie rausgeschmissen.«
»Genauso ist es. Und Amalia ist in eine Wohnung gezogen, die der Geliebte für sie angemietet hatte, ebenjener Besitzer des Luxusschlittens, den die Lo Curtos gesehen haben. Und danach hat er ihr nicht die Wohnung gekauft, sondern wie sich herausstellte, verfügte Amalia auch über ein dickes Bankkonto. Wenn sie mit Stefania und Serena ausging, hat immer sie die Rechnung bezahlt.«
»Na ja, ich denke, dass Lo Bue den wahren Mörder bald ausfindig machen wird, wenn er von diesen neuen Fakten erfährt.«
»Sicher wird er einen Schuldigen finden. Ob der aber auch wirklich der Mörder ist, das steht auf einem anderen Blatt.«
Lamantia hatte sich, wie gewohnt, Spaghetti mit Sepiasoße bringen lassen und angefangen zu essen. Michele, der mit der Vorspeise fertig war, beschloss, nichts mehr zu bestellen, und rückte mit seinem Stuhl vorsichtshalber zehn Zentimeter vom Tisch ab.
Da erst wurde ihm klar, was Lamantias letzte Worte wirklich bedeuteten.
»Entschuldige, aber das habe ich jetzt nicht verstanden. Was willst du damit sagen?«
»Womit?«
»Mit der Geschichte vom wahren Mörder. Das hab ich nicht verstanden.«
Lamantia hob den Kopf vom Teller hoch und blickte ihm in die Augen.
»Michè, ich verstehe dich nicht.«
»Was gibt’s da nicht zu verstehen?«
»Ob du tatsächlich so naiv bist oder nur so tust.«
»Ich versichere dir, dass ich nicht …«
Gabriele sah ihn noch eine Weile ganz ruhig an. Dann sagte er:
»Ich sehe, dass du die Wahrheit sagst.«
»Danke.«
»Weißt du, wer du bist?«
»Bist du jetzt unter die Philosophen gegangen?«
»Ich denk gar nicht dran. Ich dachte immer, du wärst, was weiß ich, ein Major, ein Oberst, ein Offizier des Generalstabs, aber in Wirklichkeit bist du doch nur ein einfacher Soldat.«
»Könntest du dich vielleicht mal etwas verständlicher ausdrücken, Gabriè?«
»Ach, Michè, während einer Schlacht, was tut da ein einfacher Soldat, der an vorderster Front steht? Er kämpft, und er befolgt die Befehle, die ihm gegeben werden. Doch verstehen tut er nichts, und er weiß auch nichts über die komplexe Strategie des Oberkommandos, er weiß nur, dass er mit seinen Kameraden einen bestimmten Hügel erobern muss, und das versucht er zu tun. Und so bist du auch. Du hast getan, was man von dir verlangt hat, und …«
»Ich wiederhole noch mal: Ich verstehe kein Wort.«
»Dann erzähl ich dir jetzt mal was, und wir werden sehen,ob du von selbst draufkommst. Weißt du, wann mir klar wurde, dass etwas faul ist im Staate Dänemark, wie Hamlet sagt? Als der Walzer begann.«
Michele wunderte sich immer mehr.
»Was für ein Walzer?«
»Der Walzer der Advokaten. Jetzt sag mir bitte nicht, dass dir das auch nicht aufgefallen ist!«
»Doch, irgendwas im Zusammenhang mit den Anwälten war in meinen Augen nicht stimmig.«
»Wie kommt das?, habe ich mich gefragt. In dem Augenblick, in dem man entdeckt, dass Amalia ermordet wurde und Di Blasi anfängt, Manlio fertigzumachen, zieht der Abgeordnete Caputo als Verteidiger seines Sohnes einen erstklassigen Anwalt wie den alten Emilio Posateri hinzu. Und bis
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