Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
die über 200 offenen Fragen, die es auch diesmal wieder nicht ins Buch geschafft haben, endgültig in unseren Archiven digitalen Staub ansetzen werden. Selbst aus der Liste der Themen, über die wir unbedingt schreiben wollten, sind einige auf der Strecke geblieben: Altern, Vogelflug, Altruismus und Pubertät («bloß nicht noch mehr Themen mit Evolution!»), Bewusstsein (zu viel Arbeit) und die Frage, warum Menschen ihre Babys bevorzugt auf der linken Seite halten (kein Platz mehr im Buch).
Wer sich nach diesem Band immer noch für neues Unwissen interessiert, der wird selbständig weitersuchen müssen. Eine gute Quelle sind die Schlagzeilen der Wissenschaftsseiten in Zeitungen und Magazinen, und zwar paradoxerweise meist genau die, die verkünden, ein Problem sei endlich gelöst. Wissenschaft ist ein langwieriger Prozess. Es kommt selten vor, dass mit einer einzigen Studie ein hartes Problem abschließend und zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst wird. Stattdessen handeln die meisten Artikel mit solchen Überschriften von einer neuen möglichen Erklärung für ein rätselhaftes Phänomen. Man wird dann nachsehen müssen, was andere Leute zu dieser Erklärung sagen und ob es alternative Erklärungen gibt, die vielleicht genauso plausibel sind.
Ein anderer Startpunkt ist die englischsprachige Wikipedia, die für viele Fachbereiche lange Listen von ungelösten Problemen bereithält, zum Beispiel für die Physik, Mathematik, Neurowissenschaft und Biologie. Aber Vorsicht, manche offenen Fragen halten sich lange im öffentlichen Bewusstsein, obwohl sie in Fachkreisen längst als gelöst gelten. In der Wikipedialiste der ungeklärten Probleme in der Astronomie taucht zum Beispiel das «Hipparcos-Paradoxon» auf, bei dem es darum geht, wie weit der Sternhaufen Plejaden entfernt ist. Das Problem gilt mittlerweile als gelöst, der Satellit «Hipparcos» hatte sich bei der fraglichen Messung vertan. Die Lektion: Man darf Unwissen genauso wenig unkritisch hinnehmen wie Wissen.
Und schließlich ist kurz vor der Fertigstellung dieses Buches eine neue Fachzeitschrift zum Thema entstanden, das «Journal of Unsolved Questions» (junq.info). Das von Doktoranden der Graduiertenschule «Materials Science» an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz gegründete Wissenschaftsmagazin «veröffentlicht Forschungsprojekte, deren Aufbau nicht aufgegangen ist, deren Daten keine oder keine eindeutigen Schlüsse zulassen oder auch unvollendete Untersuchungen, die mehr Fragen aufwerfen als beantworten». Ein paar Jahre dauert es sicher noch bis zur Einrichtung von Unwissenslehrstühlen, aber die Forschung kommt voran.
Recherche und Fehlerkorrektur
Wenn jemand vor zwanzig Jahren auf die Idee gekommen wäre, dieses Buch zu schreiben, dann hätte ihn die Recherche grob geschätzt hundertmal so viel Mühe gekostet wie uns. Zunächst hätte der hypothetische Autor viel Zeit in Bibliotheken verbringen müssen. Ohne Internet wäre es viel Arbeit gewesen, die für das jeweilige Thema relevanten Bücher und Übersichtsartikel zu finden. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte nicht jede Bibliothek alle relevanten Texte vorrätig gehabt; als Nächstes hätte man also die Fernleihe bemühen müssen. Dann warten, bis die gewünschten Texte per Post eintreffen, und dann zurück in die Bibliothek. Realistisch gesehen hätte man sich bei jedem Thema auf zwei, drei Publikationen beschränkt und sich Sorgen gemacht, ob nicht zufällig in, sagen wir, Australien gerade die entscheidende Veröffentlichung zum Thema erschienen ist, die den gesamten Text über den Haufen wirft. Die Recherche wäre also nicht nur mühselig gewesen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch lückenhaft.
Natürlich könnten auch wir wichtige Publikationen übersehen haben, und natürlich machen auch wir uns Sorgen über Australien. Aber verglichen mit dem hypothetischen Autor in internetlosen Zeiten ist es jetzt deutlich einfacher, sich einen einigermaßen ausgewogenen Überblick zu einem Thema zu verschaffen. Es ist schwer verständlich, warum das Internet, wenn es um die Recherche zu Sachthemen geht, immer noch als unzuverlässig gilt, vor allem im Vergleich zu gedrucktem Papier. In Wahrheit ist das Internet für Sachbuchautoren erfunden worden. Das hat zwei Gründe: Zunächst gibt es mächtige Suchmaschinen, die deutlich mehr können als die Zettelkataloge der Bibliotheken. Dazu gehört unter anderem Google mit dem für unsere Zwecke hilfreichen Suchwerkzeug «Google
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