Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
oder ein «Paradoxon» und wartet ansonsten erst mal ab, bis jemand mit einer guten Idee kommt. Das Thema →Dunkle Energie, die rätselhafte Beschleunigung der Expansion des Universums, wird zum Beispiel häufig so behandelt. Ein mysteriös klingender Name ist schon mal gefunden, aber bisher fehlt das Genie, das die richtige Lösung an die Tafel schreibt.
Die fünfte Strategie ist besonders kostengünstig, denn ihr zufolge ist das beobachtete Phänomen für den menschlichen Geist prinzipiell unergründbar. Diese Vorgehensweise ist bei den optimistischen Naturwissenschaftlern unbeliebt, bei Philosophen dagegen findet man sie häufiger, zum Beispiel bei Themen wie →Qualia oder →Wissen.
Viele Unwissensfragen bleiben lange in einem dieser Stadien stecken. Für diese Haltbarkeit von Problemen gibt es ganz unterschiedliche Gründe, soziologische, ökonomische, und hin und wieder ist es wohl einfach nur Zufall. Manche Themen sind untererforscht, weil sie als albern gelten, wobei sich der Grad der Albernheit im Laufe der Zeit ändern kann. 2005 erschien das Buch «Freakonomics», das unter anderem von den wirtschaftlichen Feinheiten des Drogenhandels, der legalen Abtreibung und der Wahl von Kindernamen handelte. Seit es über vier Millionen Käufer fand, gilt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften praktisch keine Frage mehr als erforschungsunwürdig. Auch die ansonsten vernachlässigte Sexualforschung hat wenigstens in einigen Teilbereichen durch die Erfindung von Viagra Auftrieb erfahren. Ein Forschungsgebiet, in dem sich Milliarden durch Patente verdienen lassen, bleibt nicht lange albern. Und die Glücksforschung, die in ihren Anfangszeiten als frivoler Forscherspaß galt, hat sich so weit durchgesetzt, dass mittlerweile mehrere Länder an der Einführung eines «Bruttonationalglücks» arbeiten. Noch lachen wir über James Wards vor kurzem erstmalig ausgerichtete Konferenz «Boring 2010», aber wer weiß, welche Summen in fünfzig Jahren für Langeweileforschung ausgeschrieben werden.
Was ist neu am «Neuen Lexikon des Unwissens»?
Dieses Buch ist der Nachfolgeband zum «Lexikon des Unwissens», das im Jahr 2007 erschien. «Das Unwissen, mit dem wir uns hier beschäftigen», schrieben wir damals im Vorwort, «muss drei Kriterien erfüllen: Es darf keine vorherrschende, von großen Teilen der Fachwelt akzeptierte Lösung des Problems geben, die nur noch in Detailfragen Nacharbeit erfordert. Das Problem muss aber zumindest so gründlich bearbeitet sein, dass es entlang seiner Ränder klar beschreibbar ist. Und es sollte sich um ein grundsätzlich lösbares Problem handeln. Viele offene Fragen aus der Geschichte etwa werden wir – wenn nicht doch noch jemand eine Zeitmaschine erfindet – nicht mehr beantworten können.»
Das letzte Kriterium, die grundsätzliche Lösbarkeit, haben wir für dieses Buch schweren Herzens aufgegeben. Es gibt zwar auch dieses Mal jede Menge Kapitel, an die man eines Tages ein sauberes Häkchen wird machen können, dazu gehören vermutlich →Außerirdisches Leben, →Megacryometeore, →Tiefseelaute und der →Zitteraal. Aber es wäre ein Fehler, sich auf solche Themen zu beschränken. Zum einen, weil viele andere interessante Probleme so unscharf umrissen sind, dass man über ihre Lösbarkeit diskutieren kann. Konzepte wie →Wissenschaft und →Krieg zum Beispiel würde man gern verstehen, aber sie sind derart glitschig, dass sie einem immer wieder aus der Hand rutschen, wie ein Stück Seife in der Badewanne. Zum anderen lässt sich darüber streiten, ob und auf welche Art wir überhaupt jemals irgendetwas über Megacryometeore, Tiefseelaute, Zitteraale und alles andere herausfinden können. Ob diese Frage, die im Kapitel →Wissen diskutiert wird, grundsätzlich beantwortet werden kann, ist, man ahnt es, ebenso umstritten.
Abgesehen von dem neuen Sortiment an Themen wird man in diesem Buch mehr über Formen und Entstehung von Unwissen erfahren. Wer das «Lexikon des Unwissens» bereits besitzt, bekommt also nicht einfach nur 30 weitere Kapitel derselben Bauart, sondern quasi ein Unwissenslexikon für Fortgeschrittene. Wer es nicht besitzt und sich bei der Lektüre des vorliegenden Buchs nach eindeutig zu klärenden Fragen, nach Tausendfüßlerinvasionen, schnurrenden Katzen und sich einemsenden Igeln sehnt, dem sei der Vorgängerband empfohlen.
Die Suche nach Unwissen
Wahrscheinlich wird es kein drittes «Lexikon des jetzt noch größeren Unwissens» geben. Das bedeutet, dass
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