Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
sie zu definieren versucht, einigermaßen treffend beschreiben. Mit anderen Worten: Es geht nicht darum, diktatorisch festzulegen, was Leben ist, sondern es zu verstehen.
Eine beliebte Art, Leben zu definieren, ist folgende: Man sieht sich an, welche gemeinsamen Eigenschaften alle Lebewesen auf der Erde aufweisen, und baut daraus eine Checkliste zusammen. Wenn man dann irgendwas Lebensähnliches im Universum findet, muss man einfach nur diese Liste abarbeiten: Fortpflanzung (check), Stoffwechsel (check), Anpassung (check), Organisation (check) usw. Es ist ziemlich klar, dass so eine Kriterienliste, wenn sie nur lang genug ist, ganz gut funktioniert, um ein Ding als Lebewesen zu identifizieren. Man muss sich allerdings fragen, ob wirklich alle diese Kriterien notwendig sind. Man kann sich leicht Wesen ausdenken, die eindeutig leben, aber zumindest eines der Kriterien nicht erfüllen, zum Beispiel wenn man fürs Fernsehen arbeitet. Das Rauchmonster aus der amerikanischen Fernsehserie «Lost» manifestiert sich als schwarzer, dichter Nebel, der unter anderem die Fähigkeit hat, die Gestalt von verstorbenen Menschen anzunehmen. Aber fortzupflanzen scheint es sich nicht, und von Stoffwechsel ist auch nichts bekannt.
Ein Komitee der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA hat sich in den 1990ern probeweise auf eine Definition anderer Art festgelegt: Leben ist ein «selbsterhaltendes chemisches System, das zu Darwin’scher Evolution fähig ist». Das ist viel kürzer und klingt auch besser. Wer möchte nicht gern ein selbsterhaltendes chemisches System sein? Aber auch hier wieder dasselbe Problem: Irgendein Rauchmonster, das eventuell weder chemisch ist, noch Interesse an Evolution hat, könnte schon morgen erscheinen, und wir müssten die Definition wegwerfen.
Die Definition der NASA illustriert, dass Definieren immer auch Erklären heißt. Sie postuliert, dass Leben immer an Chemie gebunden ist und sich notwendigerweise durch Evolution entwickelt, nicht nur auf der Erde, sondern überall im Weltall. Die Astrobiologie nimmt wenig Rücksicht auf die Phantasien von Science-Fiction-Produkten, weil sie insgeheim nicht an die Existenz von Dingen wie dem Rauchmonster glaubt – eine Eigenschaft, die wir an Wissenschaftlern normalerweise schätzen: Wenn man an etwas nicht glaubt, dann gibt man auch keine Steuergelder aus, um danach zu suchen.
Besonders praktisch ist die Definition allerdings nicht, jedenfalls nicht für die ersten Schritte auf der Suche nach Leben. Die meisten ernsthaften Unternehmungen, die in irgendeiner Weise nach Leben im All suchen, beruhen implizit auf noch viel stärkeren Annahmen. Große Anstrengungen werden unternommen, um Planeten zu finden, die so ähnlich sind wie die Erde. Insbesondere sucht man nach Planeten in der sogenannten «habitablen Zone» – jene Bereiche im Planetensystem, in denen Wasser flüssig ist und nicht gefroren oder gasförmig. Das Vorhandensein von flüssigem Wasser wird als eine wesentliche Voraussetzung von Leben angesehen. Ob das wirklich so ist, wissen wir nicht hundertprozentig, aber es ist eine vernünftige Annahme. Zum einen steht zweifelsfrei fest, dass es auf Planeten mit flüssigem Wasser Leben geben kann, zum anderen verfügt Wasser über einzigartige chemische Eigenschaften, die die Entwicklung von Leben unterstützen. Ein wenig mehr dazu steht im «Lexikon des Unwissens» im Kapitel «Wasser».
In den letzten Jahren hörte man einige Male, jetzt sei endlich ein «Zwilling» der Erde gefunden, und erst im Kleingedruckten las man dann, dass es sich doch eher um eine Stiefschwester handelte – entweder befindet sich die versprochene zweite Erde nicht in der habitablen Zone, oder sie ist in Wahrheit zehnmal größer oder überhaupt ein Messfehler. Was diese zwiespältigen Nachrichten in Wahrheit sagen wollen: Es geht voran. Wir mögen noch nicht ganz da sein, aber wir kommen der zweiten Erde näher.
Der nächste große Durchbruch beim Jagen nach Exoplaneten, wie man die Planeten nennt, die einen anderen Stern als unsere Sonne umkreisen, steht unmittelbar bevor. Im März 2009 schoss die NASA einen nach Johannes Kepler benannten Satelliten ins All, an Bord ein Teleskop, das drei Jahre lang mehr als 100 000 Sterne anstarren soll. «Kepler» sucht nach sogenannten Transits: Der Planet bedeckt einmal pro Umlauf einen kleinen Teil der Oberfläche des Sterns, um den er kreist – er bewegt sich aus unserer Sicht vor seinem Stern entlang. Diese «Verfinsterung» des
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