Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
twittern (das merkt man verstimmt). Das Ganze ist noch sehr Entwicklungsland.
Im Netz ist die Reichweite viel größer. Wenn man möchte, kann man viel besser eigene Netzwerke knüpfen, überall in Kontakt kommen und massenweise neue Menschen kennenlernen. Mit diesen Kontakten muss man dann sorgsam umgehen und sie tagtäglich pflegen (»Netzwerkpflege«). Dazu haben die meisten Manager im Unternehmen gar keine Zeit …
Im Grunde bietet das Web 2.0 eben noch mehr Möglichkeiten, die aber wirklich wieder Arbeit machen. Wunderversprechungen sind Unsinn. Es gibt hier leider ziemlich viele Storys, die sehr erhellend sind, aber im Grunde falsche Hoffnungen erzeugen. »Da hat einer eine Million verdient, indem er auf Facebook Spenden für sein Studium erbat!« – »Da hat einer zu einer Party eingeladen, und 10 000 kamen!« Moral dieser Geschichten: Immer einmal ein Erster schießt den Vogel ab, aber leider kommen nicht bei jedem Facebook-Post 1 000 Leute. Das Netz ist noch so sehr geschichtenträchtig, dass irgendwie das Gefühl vorherrscht, hier noch Glück wie in der Lotterie haben zu können. Ich warne immer wieder: Es ist viel Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit nötig, um ein guter Bürger der Welt 2.0 zu sein.
IBM unternimmt seit 2006 regelmäßig große Versuche, neue Entwicklungen in der IT zu erkunden. Auf der Webseite IBM-»Jam Events« stehen die beeindruckenden Zahlen: 2006 nahmen mehr als 150 000 Mitarbeiter teil! Ich war auch dabei! Ich glaube, es waren drei volle Tage! Viele Teilthemenseiten wurden von Experten und Topmanagern gehostet, die für bestimmte Themen die Diskussionen moderierten. Ich selbst war damals mit einer Studie zur besseren Ausbildung der technischen Fachkräfte betraut und konnte zu diesem Thema gleich mehr als 1 000 Druckseiten aus dem Netz holen – ich habe tagelang das Feedbackder Mitarbeiter durchforstet und sagenhaft profitiert – und viele, viele Mitarbeiter und Kulturen aus anderen Ländern kennengelernt! IBM hat eine spezielle Software für solche Crowd-Meetings erstellt, die auch an andere Unternehmen geliefert werden kann. IBM hat damals (2006) zehn innovative Geschäftsgebiete mit insgesamt 100 Millionen Dollar Investment gefördert.
Ich glaube selbst (meine eigene Meinung, nichts Offizielles von IBM über Jams), dass die Hoffnung verwegen wäre, in einer solchen Veranstaltung nobelpreisreife Ideen zu ernten. Die müssten doch auch so bekannt werden – das hoffe ich doch sehr. Ein Jam ist wohl eher nicht eine große Ernte, aber eine wundervolle gigantische Möglichkeit, sich zu vernetzen, beizutragen und auch sofortiges Feedback zu bekommen. Viele Manager und Mitarbeiter wissen das gar nicht zu schätzen. Drei Tage Jam! Nur schwelgen im Neuen, in Diskussionen, in direktem Kontakt zum gesamten höheren Management und allen Top-Techies! Das gibt eine Art Bad in Neuem, eine innere Inspiration und eine Vernetzung bisher nur losen Wissens. Ein Jam stärkt das Bewusstsein für die Innovationskraft der eigenen Firma, die Mitarbeiter verstehen die neuen Entwicklungen und sehen sie in größerem Rahmen. Die am Ende vergebenen 100 Millionen sind ja nicht viel Geld im Verhältnis dazu, dass IBM viele Milliarden jährlich in Forschung und Entwicklung steckt. Es geht bei einem Jam mehr um den Spirit der Firma!
Eine gute Idee ist es sicher, erst in gründlicher Vorbereitung einzelne vielversprechende Innovationsbereiche abzustecken und dann diese vorher bestimmten Gebiete per Jam in einen gigantischen Resonanzraum zu stellen. Mehr Feedback bekommen Sie nie! IBM hat in den späteren Jams auch die Kunden und die Familienmitglieder und Freunde einbezogen – die durften mitmachen, weil ja auch ihre Resonanz auf das Neue wichtig ist.
Think and speak visionary, act evolutionary!
Innovationen gelingen eher leichter, wenn sie per Storytelling großartig verkündet werden können. Die Google-Gründer sollen gesagt haben:»Mega-Ehrgeiziges ist einfacher, da gibt es keine große Konkurrenz!« Genau! Das ist schwer einzusehen, die meisten halten den Spruch folglich einfach nur für keck, würden ihn aber nicht unterschreiben. Ich erinnere mich an meinen leider schon verstorbenen Doktorvater Rudolf Ahlswede, der uns immerfort einschärfte, nur an offenen Fragen zu arbeiten, deren Lösung im Prinzip in die Nähe der Nobelpreiswürdigkeit kommt. »Das ist nicht schwieriger! Es ist einfacher! Da ist niemand, weil alle die Prüfungsbesteher Versagensangst im Angesicht des Großen haben! Keiner
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