Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
immer billiger und größer geworden. Flash-Speicher verbrauchen weniger Strom als Computerfestplatten, es sind keine beweglichen Scheiben mehr drin, die das Herumschwenken nicht mögen – sie sind kleiner, schneller, man muss nichts »hochfahren«. In dem Augenblick, wo man so viel auf Flash speichern konnte, wie ein Laptop eigentlich braucht, war es möglich, die Computer mit Flash-Speicher, also kleiner und flacher zu bauen, und sie verbrauchen zudem noch weniger Strom.
Das
war die Idee zum erstaunlich dünnen »Air«-Notebook von Apple und dann für die Tablets oder Pads! Heute gibt es im Netz schon Flash-Speicher mit 512 GB, die um die 500 Euro kosten, also immer noch mehr als ein normaler Desktop-Computer oder ein preiswerter Laptop. Aber Sie merken schon: Nach und nach fallen die technischen und preislichen Beschränkungen, bis zu kleinen Alleskönnergeräten mit wundervollen Bildschirmqualitäten.
Die Vision war immer klar! Tablets gab es schon immer (»Newton« von Apple, ab 1993), aber die vielen kleinen Schritte müssen erst gegangen werden – nach und nach. Man kann nicht einfach die komplette Vision auf die grüne Wiese stellen, man muss lange üben, lernen, probieren, Leuten zuhören, verstehen und die nächsten Schritte gehen. Von Zeit zu Zeit kann die volle Vision ausgebreitet werden, um die Resonanz zu prüfen. Die Vision an sich und der derzeitige Stand sollten aber wirklich getrennt besprochen werden, aus folgendem Grund: Auf den Messen erwarten wir, dass wir realistisch aufgeklärt werden, wie weit alles schon ist. Leider wird da oft getrickst und getäuscht, sodass viele oder alle fast schon allergisch auf das Visions-Realitätsgemisch reagieren.
Vielleicht mögen Sie meine »intergalaktischen« Beispiele nicht – aber die haben den Vorteil, dass Sie sie kennen. Ich kann eine Story aus meinem Leben beisteuern. Ich träume davon, dass wir nicht nur Wikipedia im Netz haben, sondern für jedes Stichwort auch Bilder, Videos,viele Beispiele und Arbeitsmaterialien. Vielleicht gibt es vieles davon schon im Netz, aber nicht »auf einem Haufen«. Warum gibt es nicht alle evangelischen und katholischen Lieder aus den Gesangbüchern als Audios schön geordnet im Netz, instrumental, mit Chor, solo? Warum kann ein Medizinstudent nicht für jede Krankheit 100 Bilder von Beispielpatienten sehen? Oder sich unterschiedliche Hörproben von Keuchhusten anhören? Wo finde ich Tierstimmen, alle Pflanzen … Ich möchte eine Schatzkammer der globalen Wissenskultur, für jede Univorlesung Prachtbeispiele berühmter Professoren, Lehrmaterialien für alles und historische Filme für jedes Ereignis, am besten in der Timeline von Facebook oder so.
Ist das eine Vision? Die darf ich als Einzelner haben und predigen, ich schreibe sie in Bücher hinein und halte Reden darüber.
In den Jahren 2006 und 2007 habe ich in der IBM so etwas gepredigt. Wir brauchen eine unternehmensweite Wikipedia, in der wir sofort alles finden. Kennen Sie dieses Panikgefühl, wenn Sie aus dem Urlaub kommen und das Firmenpasswort vergessen haben? (Ändern Sie es
nie
kurz vor dem Urlaub, dann hat es sich noch nicht genug eingeprägt.) Wie bekommt man ein neues? Suche im Intranet … Was passiert, wenn Sie endlich im Frankfurter Flughafen ankommen, ein Heidengeld für das mehrtägige Parken bezahlen und die Quittung vergessen? Wir haben bei IBM festgestellt, dass es nur wenige Hundert Probleme gibt, die jeder immerzu neu und irgendwie erstmalig löst (beim zweiten Auftreten eines Problems ist die Lösung anders!). Also: Wir brauchen eine IBM-Wikipedia! Mit allem Wissen der IBM! Ich habe das so richtig visionär ausgeschmückt, damit ich ausgelacht würde. Das Storytelling bewirkte, dass absolut
jeder
die Forderung hörte, aber sie mit Humor nehmen konnte, weil ich keinerlei Anstalten unternahm, sondern nur Reden darüber schwang.
Ich bekam aber immer mehr Resonanz, immer mehr! Irgendwann schrieb ich eine Mail »an alle«, dass ich mir eine Wikipedia wünschte, die dann später natürlich Bluepedia hieß (von IBM = Big Blue). Noch mehr Resonanz. »Dueck, das werden sie dir verbieten, weil es einen Kulturwandel bedeutet, wenn alle was im Intranet schreiben dürfen.« Das wusste ich schon aus Managerkommentaren: »Darf man die Gehaltstabellen in Ihr Lexikon eintragen?« Ich nickteund bekam Resonanz. Immer mehr Resonanz! Ich sagte dann meinem damaligen direkten Chef, dass »ich jetzt einmal etwas mache«, was er nicht direkt verbot. Dann suchte ich
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