Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
erhalten und um kostspielige Prozessschwächen aufzudecken. Im Vergleich zu abstrakter Information haben Geschichten den Vorteil, verständlicher zu sein, stärker im Gedächtnis zu bleiben und Sinn und Identität stiften zu können.«
Ein guter Innovator versteht sich auf Storytelling und triggert seine Innovation in Form von Metaphern, bildlichen Anekdoten, Vorkommnissen und Alltagsumständen. Ich gebe einmal eine Geschichte zur Probe, die ist gewisslich wahr:
Mein Sohn Johannes bestand sein Mathe-Diplom, ihm wurde gleich eine Doktorandenstelle avisiert. Dazu bat man ihn, normale Bewerbungsunterlagen einzureichen. »Papa, ich mach das allein. Nicht, dass du jetzt lauter schlaue Ratschläge gibst.« Nach einigen Tagen stillem Würgen war alles fertig. Da kam Johannes mit einem schon zugeklebten braunen Umschlag in mein Zimmer. »Papa, bitte jetzt keine Vorlesung, keine Ratschläge oder Neuerklärungen der Welt, auch keine emotionale Reaktion. Ich habe nur eine einfache Frage und möchte eine normale Antwort.« – »Die Frage, Johannes!« – »Papa, wo auf dem Umschlag kommt die Adresse von der Uni hin?« – Ich stutzte. »Papa!« – »Unten rechts.« – »Gut, und die Briefmarke oben? Habe ich wohl schon mal gesehen ...?!«
Das ist die Story! Ich erzähle sie manchmal, um zu erklären, dass Digital Natives heute mit 25 Jahren noch keinen einzigen Brief geschrieben oder gesehen haben. In dieser Smartphone-Welt gibt es kein Papier mehr! Ältere sollen einsehen, wie stark sich Gewohnheiten ändern und dass sie sich in diese neue Welt einleben müssen … Ich gebe ja bald die Herrschaft an Johannes ab.
Diese Story erhellt etwas, was im Oberlehrerton nicht akzeptabel gesagt werden kann. Sie überzeugt mehr als eine Statistik, nach der irgendwelche Prozent irgendetwas tun. Sie zeigt die neue Welt irgendwie auch sympathisch wie Johannes. Sie umwirbt das Herz, beim Neuen mitzumachen. Die Story erinnert die Zuhörer an ihre Familie, an die Smartphone-Kämpfe und die SMS-Rechnungen. Eine Story, sagt man, »holt die Zuhörer da ab, wo sie sind«. Offizielle Schriften, Dozenten und Oberlehrer reden aus ihrer Welt und verkündigen, aber eine Story spielt im Leben der Zuhörer.
Es ist wieder harte Arbeit, gute Storys »im Depot« zu haben oder welche zu kreieren, die Innovationen attraktiv erscheinen lassen und »Lust dazu« erzeugen. Diese Arbeit lohnt sich allemal für Sie! Sie überzeugen so unendlich viel schneller und tiefer. Andere sagen: »Sie haben mir aus der Seele gesprochen.« – »Sie haben das sehr schön bildlich auf den Punkt gebracht. Ich musste lachen, okay, es hat mich überzeugt.«
Storyteller wissen, was überzeugt, was mental inspiriert, was attraktiv erscheint.
Storytelling verstärkt positiv Resonanz, macht attraktiv, inspiriert, vereint viele im Bild einer gemeinsamen Erfahrung, »holt ab«, verzaubert und setzt im besten Fall in Bewegung.
Im obigen Zitat aus der Wikipedia ist nicht von Innovationen die Rede! Storys erhellen Werte und Kulturen, heißt es da. Aber Neues? Innovation? Ich kenne etliche berühmte Storyteller in der IBM, richtige Koryphäen aus den USA und Großbritannien darunter. Eine von ihnen habe ich einmal vor vielen Jahren als Keynote-Sprecher zu einer Weltkonferenz der IBM eingeladen. Ich erhielt eine absolut ernüchternde Antwort. Sie klang so: »Ich möchte nicht so gerne im Unternehmen selbst reden, weil die Mitarbeiter bei meinen Storys immer mäkeln, dass sie unkonkret sind und nicht direkt die IBM-Produkte verherrlichen. Und das Management will keine Storys über das Neue, es fragt immer nur nach den Umsatzzahlen – alles andere wird für eine Ausrede gehalten. Ich bin berühmt bei Kunden, aber intern – nein, ich will nicht mehr.« Er kam dann doch und hielt eine Rede, die nichts mit IBM zu tun hatte, ich las hinterher einige Bücher über das Thema und habe noch heute einige bleibende Meme aus dieser Stunde im Kopf.
Leider ist es mir mit meinen seither wachsenden Fähigkeiten im Storytelling ähnlich ergangen. Wenn ein Storyteller nach außen von Neuem redet, werden einige Zuhörer wirklich verzaubert, und die anderen sagen: »Es hat mich nicht wirklich überzeugt, war aber richtig nett, das alles.« Intern reagieren die CloseMinds härter. Techies sind gegenüber Storys misstrauisch, weil sie vermuten, dass es gar nichts Konkretes gibt. »Das ist eine vage Idee, wo bleibt das Produkt?« Manager fragen wirklich nach Zahlen, ohne Zahlen ist das Neue noch nicht
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