Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
attraktiv. Sie entflammen erst, wenn aufsteigende Kurven präsentiert werden. Es heißt ja, dass der Prophet im eignen Land nichts gilt. Sic! Wenn ein Storyteller intern auftritt, wird gemutmaßt, dass er heiße Luft verbreitet und eventuell von Versagen ablenken will. Deshalb lassen sich die Unternehmen alles lieber von externen Sprechern erklären. »Sehr geehrte Mitarbeiter, wir sind stolz, als Redner einen ausgewiesenen Fachmann präsentieren zu können, der uns heute einmal von außen den Spiegel vorhält und seine interessanten Einsichten über uns vermittelt.« Die Externen kosten ja Geld und können deshalb nicht versagt haben – sie müssen wohl gut sein. Externen wird dann tatsächlich zugehört, ihre Storys werden als köstlich empfunden – und es macht sich leises Bedauern breit, dass es solche tollen Leute im eigenen Unternehmen leider nicht gibt. Wie verriet mir ein Manager? »Sehen Sie, Sie können Wahrheiten aussprechen. Das darf ich nicht, denn bei mir werden Wahrheiten als Willensäußerungen wahrgenommen. Die Wahrheit kann ja jeder wissen, aber wenn ich sie selbst ausspreche, erwarten alle von mir entsprechende Handlungen. Wenn Sie dagegen reden, erfahren nur alle die Wahrheit, ohne dass ich notwendig handeln muss. Ich kann Sie als Resonanztester oder Lackmuspapier verwenden. Da sind Externe Gold wert.«
Web 2.0, Innovation 2.0 und Jams
Neuerdings versuchen sich alle in den so genannten Social Media. Unternehmen twittern, sammeln Fans bei Facebook oder sie posten bei Google+. Marketingabteilungen versuchen, Internetnutzer zu »Likes«zu animieren. Und ich habe neulich von zwei meiner Bankverbindungen erfahren, dass gerade im Netz über die beste Bank des Jahres abgestimmt wird und ich als zufriedener Kunde meinen tollen Zufriedenheitsgrad in der Abstimmung deutlich machen soll, damit endlich die reine Wahrheit ans Licht kommt (wenn das alle Banken machen, gewinnt immer die mit den meisten Kunden – die größte ist dann die beste).
Die ersten, die sich im Web 2.0 getummelt haben, fahren angeblich sagenhafte Erfolge ein. Sie haben viele Facebook-Freunde, Follower und Fan-Klicks. Die ersten Unternehmen, die ihre Kunden im Netz um neue Produktvorschläge baten, bekamen überwältigendes Feedback. Man spricht flugs von Innovation 2.0, von Collaborate Innovation, von Crowd Sourcing und so weiter. Noch bis in die letzten Jahre galten Erfindungen oder Laborneuerungen in den Unternehmen als
top secret
– sie wurden so geheim gehalten wie die Gehälter. Jetzt scheint es
en vogue,
die Kunden ihre Produktneuheiten selbst designen zu lassen. Das soll wahre Kundenzentrierung werden!
In der Tat erreicht das Netz jetzt alle Welt. Es eröffnet viele neue Möglichkeiten, die Resonanz auf etwas zu testen und Meme zu kreieren. Ich selbst bekomme als freier Schriftsteller enorme Rückmeldungen auf alles, was ich unternehme. Ich bekomme Leserbriefe und Kommentare zu meinen Artikeln, auch Comments zu meinen Posts bei Facebook und Google+. Nach vielen Konferenzreden kann ich sofort mein Smartphone wieder anschalten und schauen, was auf Twitter dazu gesagt wird. »Die dritte Folie ist Schwarz auf Blau, Pfui Dueck!« Ich will sagen: Meine »Performance« ist Sekunden nach dem höflichen Applaus im Netz bekannt. Wenn ich neue Bücher plane, kann ich die Hauptthesen in kleinen Storys publizieren, um aus dem Feedback zu lernen, ob sie eingängig genug sind. Vielfach bekomme ich lebensechte Beispiele in Leserbriefen. Oft bin ich unsicher, ob etwas, was ich in drei oder fünf Unternehmen beobachtet habe, überall so ist. Das kann ich im Netz erfragen und mit Lesern fast auf der Stelle klären. Wenn ich Fachleute für Spezielles suche, finde ich sie am gleichen Tag. Es ist fast leichter, im Netz Experten zu finden als im eigenen Unternehmen. Die Schnelligkeit der Antworten ist oft phänomenal!
Die Entwicklung des Social Web verläuft atemberaubend rasant. Innovatoren sollten die Chancen nutzen. Welche genau? Schwer zusagen, es ändert sich jeden Tag. Auf der anderen Seite gibt es jetzt wohl Tausende Social-Web-Berater, die ihr Geld damit machen, bisher abwesende Unternehmen auf »social« zu trimmen. Da werden meist die Funktionen von Twitter und Facebook erläutert, da werden Konventionen im Netz erklärt und Unternehmensseiten angelegt. Wer aber postet nun was? Wer twittert was? Unternehmen tun sich da noch schwer. Manche posten einfach Werbung (die ignoriert wird) oder stellen Praktikanten ein, die ein bisschen
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