Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
grundsätzlich zu zeigen, ohne dass er wirklich hinschaut – verstehen Sie den Unterschied? Er sollte unbedingt wissen, dass etwas im Gange ist, aber sonst sollte er lieber nichts wissen wollen. Vielleicht weiß er sogar
genauestens
Bescheid, bis auf jede Sekunde und jeden Cent, aber er darf es eben nicht offiziell wissen.
Das leuchtet ein? Bitte halten Sie Ihre Aktionen unter dem Radarschirm nicht allzu geheim, denn es gibt kaum so etwas Furchtbares für Manager wie »Überraschungen«. Manager hassen es, mitten in der Arbeit von Unvorhergesehenem überrumpelt zu werden. Besonders übel nehmen es Chefs, wenn das einer ihrer eigenen Mitarbeiter vollbringt. Machtmanager vermuten Illoyalität und Ungehorsam, Perfektionisten halten den Überraschenden für unzuverlässig, andere denken immer gleich an Betrug oder Faulheit, und noch andere sind normal beleidigt, weil sie nicht eingeweiht waren. Am schlimmsten ist es für sie, von einem Managerkollegen im Managermeeting »Wissen Sie eigentlich, was da bei Ihnen los ist?« zu hören. Bitte denken Sie auch an die peinlichen Pressetermine, wenn Fußballtrainer oder Politiker »aus der Presse« erfahren müssen, dass sie von Spielern oder Parteihinterbänklern kritisiert wurden! In diesen Fällen vermuten dann alle, dass da jemand »seinen Laden nicht im Griff hat«. Das ist ein schlimmes Urteil über einen Chef, vielleicht ein Karrieretodesurteil.
Arbeiten Sie also an Ihren Innovationen nur verborgen, nicht wirklich geheim. Erklären Sie Ihrem Chef, dass seine schlimmsten Befürchtungen nicht berechtigt sind: Es läuft nichts aus dem Ruder, und das müssen Sie immer wieder klarstellen. Je nach Chef sollten Sie dies aktiv aussenden: »Ich bin immer gehorsam, auch wenn es manchmal nicht so erscheint«, »Ich bin absolut zuverlässig« oder »Ich mache meinen Job und arbeite nur an Feiertagen an der Innovation.« Dann machen die meisten oder wenigstens viele Manager mit. »Solange ihr euren Normaljob macht und den Etat nicht überzieht, schaue ich nicht so genau hin.«
Gifford Pinchot verwendete oft die Bezeichnung »Impatience Clock«, die »Uhr der Ungeduld«. Er vertrat vor 17 Jahren (als ich bei ihm 1994 lernte) die Ansicht, dass bei allem, was man sich genehmigen lässt, die Uhr der Ungeduld angestellt würde. Er stellte sie sich wie eine imaginäre Sanduhr vor, die langsam abläuft. Und dann fragt unfehlbar das Management: »Wie weit sind Sie?« Es gibt Reviews und Meetings, Sie müssen sich rechtfertigen und alles neu genehmigen lassen. Pinchot glaubte damals, dass eine normale Clock of Impatience nach einem halben Jahr ablaufen würde. Niemals dürfe man länger als ein halbes Jahr ungestört von Statusmeetings arbeiten! Nie mehr!
Darüber lachen wir heute wirklich sehr laut und wehmütig. Damals gab es noch keine wirklichen Quartalszahlen, man machte Jahresabschlüsse. Heute sind die meisten Firmen intern schon bei Monatsabschlüssen, die ersten bei Wochenabschlüssen. »Wir haben nur 80 Prozent Umsatz diese Woche! Weh über uns!« – »Chef, diese Woche ist ein Feiertag in der Woche!« – »Weh, oh weh, das ist ein rein deutscher Feiertag, das nehmen sie mir in der Europazentrale nicht ab! Können wir etwas gegen den Feiertag tun, am besten rückwirkend?« (Geschehen, als erstmalig der deutsche Nationalfeiertag im Oktober begangen wurde.) Der bittere Ernst: Es wird jetzt monatlich nachgefragt. Und jeden Monat kommen neue Sparprogramme, die dann auch die Innovationsprojekte treffen. Ja, sie treffen besonders Innovationsprojekte, weil ziemlich oft alles nicht sofort Umsatzwirksame unbestimmt verschoben wird. Das betrifft alle Ausbildung, interne Treffen, Projektmeetings zur Abstimmung, alles Langfristige und natürlich auch alles Neue. Alle Etats für nicht direkt Umsatzrelevantes werden zum Jonglierball der Quartalsergebnisangst. Es gibt daher heute bei aller Innovation
im Prinzip
Unruhe und damit das, was ältere Mitarbeiter mit »rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln« bezeichnen. »Stoppt kurz die Innovation, sparen! So, jetzt wieder weiter, aber schnell, alles bitte sofort wieder aufholen! Schnell! Nein doch nicht, schon wieder stoppen!«
Hüte sich, wer kann!
Es sind aber nicht nur die Meetings, die Einsparrunden und die Ungeduld, die Innovationsprojekte verhageln. Ein mindestens genauso schweres Problem besteht darin, dass der Innovator in den MeetingsRatschläge bekommt, die er im besten Fall wieder ignorieren muss, aber meistens nicht
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