Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
kann.
Darf ich nochmals meine Erfahrungen mit der Tourenplanung bemühen? Bei dieser Innovation haben wir alles erdenkliche Lehrgeld gezahlt! Wir hatten eine gute Lösung grob als Prototyp programmiert, nun wollten wir alles »produktreif« designen. Natürlich wollten wir die Tourenplanung nicht auf Großrechnern laufen lassen, obwohl die umfangreichen Optimierungen fast einen solchen erforderlich machten. Aber wer hat schon einen Großrechner für den Fuhrpark? Eine gute Idee war, alles gleich auf einen PC zu portieren, der aber 1995 noch so etwa zwei Stunden für eine Planung rechnen musste. Wir konnten aber absehen, dass die PCs in jedem Jahr viel schneller würden, sodass sich das Problem von selbst lösen würde. Wir präsentierten einen Plan … Der wurde im Endeffekt genehmigt, aber es wurde zur Auflage gemacht, alles auf mehrfach so teuren Workstations (die kosteten damals etliche 10 000 Euro) zu programmieren. Das Management: »Da schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir verkaufen die Tourenplanungen
und
die Hardware.« Das ist eigentlich kein böser Gedanke oder vielleicht sogar ein guter, weil IBM ja diese Workstations herstellte. Mir behagte jedoch solch eine Strategie intuitiv nicht, ich ließ mich aber als »Anfänger-Innovator« breitschlagen, weil ich dann auch auf die Unterstützung der Hardware-Division hoffen konnte. In Wirklichkeit wollten die Kunden später wirklich alles nur auf einem PC haben. Tja. Der Grund war gar nicht der Preis, es ging um die Fähigkeiten! Die Fuhrparkleiter waren einfach PCs mit Microsoft Windows gewohnt und wollten einfach nicht auf das Betriebssystem IBM AIX umlernen … Ach, wie haben wir die Entwicklung auf den allzu hochwertigen Maschinen bereut!
Heute, mit meinen Erfahrungen, würde ich mich glatt gegen alle unternehmensinternen Optimierungen wehren. Ich würde notfalls den Job niederlegen. Lieber gar nicht, als dann nach Plan verlieren!
Keine Kompromisse beim Produkt/Service aus der Sicht eines Kunden – für ihn muss es stimmen, einfach sein, glatt laufen! Derjenige gewinnt, der ein Produkt oder eine Serviceleistung am besten beim ersten Versuch einfach »richtig« macht. Amazon war nicht der erste Buch-Shop im Internet, Google baute nicht die erste Suchmaschine,eBay war nicht das erste Internetauktionshaus. Es ist nicht der Erste, der am Markt gewinnt, sondern der Erste, der aus Kundensicht etwas wirklich Gutes und Einfaches anbieten kann. Tourenplanung auf AIX-Systemen ist für Protagonisten, aber nicht für »normale Menschen« geeignet. Das haben wir nicht streng genug beachtet – schon verloren!
Wenn eine Innovation nicht im Verborgenen und unter ruhig freiwilliger kompromissloser Arbeit am Feierabend stattfinden kann, fehlt die Muße, sie bis zum richtigen Grad voranzutreiben. Eilige Manager versuchen Schnellschüsse mit Prototypen auf Messen, verschiedene alte Bereiche verlangen, dass »das Neue in ihren Kram passt«. Das sagen sie nicht so, sie verlangen »ein integriertes Konzept«, sodass »sich das Neue nahtlos in das Alte einpasst«. Schon verloren!
Für mich selbst war die Forderung
»Work underground as long as you can«
auf den ersten Augenblick absolut überraschend, als ich ihr das erste Mal begegnete. Ich dachte, alle würden sich über Fortschritte und Erfolge freuen, und es wäre gut für die Sache, immerfort mit Triumphen zu kommen! Ich wusste nicht, dass es Ratschläge und Umsatzzusatzforderungen hagelt … Alles muss reifen können, bis es so weit ist.
Erst dann hat man eine Chance. Es ist die Chance, die man sich erarbeitet hat. Jetzt gilt es, den Chasm zu überwinden oder zu lauern, ob andere ihn überwinden. In diesem Augenblick hat derjenige, der es gut macht, die besten Karten.
KAIROS UND ENERGIZATION – DIE CHANCE ENERGISCH ERGREIFEN
Der Goldene Zeitpunkt
Wenn die Chance kommt, muss man sie ergreifen. Diesem schlichten, aber schwierigen Punkt möchte ich eigens ein kleines Kapitel widmen – um alles prominent herauszuheben.
Viele Produkte kommen zu früh auf den Markt – die OpenMinds sind einfach noch nicht zufrieden. Viele andere Produkte oder Services kommen glatt zu spät, so wie etwa die unzähligen Internetbuchhandlungen, die gegen Amazon nicht mehr ankommen.
Kurz nach der Jahrtausendwende kam es zu der berühmten Mania der Internetgründungen. Die so genannten »dot.com«-Start-ups schossen wie Pilze aus dem Boden. Dating, Jobbörsen, Autohandlungen, Makler aller Art erschienen im Internet und starben fast
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