Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Irgendein googleartiges Unternehmen wird das alles von unten unter langem Gelächter aufrollen. Und ganzim Ernst: Ich fürchte, es wird wieder einmal kein deutsches Unternehmen sein, weil Deutsche länger lachen und stärker verachten.
Die teureren Autos haben heute Anti-Crash-Systeme, die uns mit Tönen warnen, wenn wir einer Mauer oder einem anderen Auto zu nahe kommen. In naher Zukunft übernimmt das Auto sogar das Notbremsen, wenn wir zum Beispiel ein Stauende übersehen. Noch etwas weiter in der Zukunft wird es unmöglich sein, dass die Autos irgendeinen Crash produzieren können. Sie werden sich gegenseitig verständigen und alles im Team unfallfrei regeln. Und nun komme ich zum Punkt: Wenn die Autos automatisch keine Unfälle machen, sollten sie auch gleich ganz selbst fahren. Die Firma Google hat schon solch ein Auto vorgestellt. Wie gesagt: Es war kein deutscher Hersteller, es war Google. Wenn die Autos selbst fahren, ist es am besten, den Privatbesitz von Autos aufzugeben und alle Autos als Ruftaxis zu betreiben, die per Smartphone bestellt werden und sofort kommen. Und jetzt überlegen Sie bitte mit: Wenn alle Autos Taxis wären, dann bräuchte man eigentlich nur so viele davon, dass sie alle gut ausgelastet sind. Unsere heutigen Autos sind fast gar nicht ausgelastet. Ich schreibe heute an diesem Buch, mein Auto wird nun 36 Stunden nicht genutzt. Mein Auto hat 120 000 Kilometer in fünf Jahren hinter sich, vielleicht ist es im Durchschnitt 80 Stundenkilometer schnell gewesen. Daher ist es wohl 1 500 Stunden lang tatsächlich gefahren. Fünf Jahre haben aber 43 800 Stunden, die Hälfte davon am Tag. Wie viele Autos brauchen wir also, wenn alle Autos selbst fahrende Taxis wären? Drehen Sie es, wie Sie wollen – erfinden Sie Stoßzeiten und Gegenargumente. Wir brauchen wohl nur ein Zehntel des heutigen Fuhrparks. Dann aber brauchen wir viel weniger Straße mit Parkrand, kaum noch Parkhäuser, keine Haftpflichtversicherungen, keine Fahrer und so weiter. Was wird geschehen? Die Versicherungen, die Fahrzeughersteller, die Verkehrszeichenunternehmen, die Parkhausbetreiber, die Straßenbauunternehmen – sie werden lachen.
Heute beginnen die ersten Professoren (die bekanntesten Namen sind Sebastian Thrun – er hat das selbst fahrende Google-Auto entwickelt – und Salman Khan mit seiner Khan Academy), außergewöhnlich gut vorbereitete Vorlesungen als Video ins Netz zu stellen – frei für jedermann. Viele Studenten in aller Welt schauen sie sich jetzt an, auch die Studenten von Thrun selbst kommen nicht mehr in den physischen Hörsaal. »Man kann daheim zurückspulen!« Und mankann Thrun in Afrika sehen. Ich selbst denke gerade darüber nach, wie man einen beliebigen Stoff am besten im Internet erklärt – eben nicht notwendig über Vorlesungen. Im Internet kann man ja im Gegensatz zum Hörsaal Beispiele zeigen, also »100 Windpockenkranke« oder »100 Mal Tonprobe, wie Keuchhusten klingt« … Was sagen die dazu, die heute schon studiert haben oder gar Professor sind? »Die Qualität ist im echten Hörsaal besser.« Irgendwann werden wir aber nur noch Prüfungsprofessoren haben, oder?! Studenten lernen online, allein oder auch über so etwas wie Facebook miteinander, sie stellen berühmten Forschern im Internet Fragen, diskutieren dort mit Unternehmern … Wenn die Studenten dann glauben, alles genügend zu können, gehen sie irgendwo an einer Uni zur Prüfung oder zu einer Rating-Agentur für Akademiker. Stellen sich die Universitäten darauf ein? Nein, dort ist noch Kreidezeit. In der Schule auch noch, deren disruptive Neuerfindung wird folgen.
Ich schreibe diesen Abschnitt ein bisschen grimmig. Ich lebe als Person schon lange mit dem schallenden Lachen und den halb fragenden »Bist du verrückt«-Blicken. 1994 hatte meine Abteilung im IBM-Wissenschaftszentrum in Heidelberg ein Optimierungsprogramm zur Lagerplanung erstellt, das die erste digitale Straßenkarte benutzte. Oh, waren da noch viele Fehler drin! Die Karte kostete etliche Zehntausend Euro und der Computer, der die 2-GB-Karte auf den Chip laden musste, kostete eher Hunderttausende. Wir hatten aber dafür eine allererste Routenplanung! Stolz präsentierte ich diese im höheren Management. »Bald werden wir ein Navi im Auto haben!« Die Manager fragten, wer so viel Geld haben könnte – das Navi wäre doch viel teurer als das Auto. »Bald gibt es das für unter 1 000 Euro!« Und sie fragten, ob das überhaupt ginge und wo dann noch der Gewinn
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