Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
für IBM läge. Ich sprühte vor neuem Denken und legte nach: »Ich habe mir überlegt, dass die Tankstellen und Fastfood-Restaurants, eigentlich alle Unternehmen und Ärzte, alle Schulen und Privatmenschen eine kleine Gebühr für den Eintrag bezahlen könnten.« Da wurde ich endgültig für seltsam befunden und gebeten, die Präsentation zu beenden. Ich wankte wie ein Loser hinaus. Wütend! Fluchend! Ich kann hier noch ein paar mehr Seiten mit solchen Erlebnissen füllen, Sie finden auch viele meiner Prognosen in meinen älteren Büchern. Ich weiß heute, dass man eigentlichganz gut in die Zukunft sehen kann. Es ist auch klar, wer daran scheitert, weil er gelacht hat.
Ich weiß heute aber auch, wie schwierig es ist, Gehör oder Glauben zu finden. Auch ich habe damals vollkommen fruchtlos appelliert – so wie »Rauchen tötet!« – und gar keine Wirkung erzielt, außer dass ich mir den zweifelhaften Ruf erwarb, immerfort Querdenker zu sein. Ich will sagen: In diesem Buch steckt auch meine Leidensgeschichte als »Jungmanager« und meine Lernkurve aus den letzten 15 Jahren. Ich musste als Innovator erkennen, dass ich mich vom Lachen nicht beeindrucken lassen darf. Ich muss es besiegen! Ich muss es langsam, durch harte Arbeit, nach und nach ersticken.
Die Hybris-Curve oder »Wandel ist wie Müssen«
Unter der Bezeichnung »Hybris-Curve«, also »Überheblichkeitskurve«, habe ich selbst einen neuen Begriff analog zur »Hype-Curve« geprägt. Er hat noch nicht wirklich Eingang in das allgemeine Vokabular gefunden, sie verstehen gleich, warum (man kann nicht darüber lachen). Ich will daran deutlich machen, warum etablierte Unternehmen so oft durch disruptive Veränderungen zerstört werden oder bis an den Rand eines Kollapses kommen. Es heißt so oft: »Ihr bisheriger Erfolg ist das Hauptproblem der großen Unternehmen, sie haben noch keine Erfahrung mit ernsten Krisen.« Einen anderen Faktor habe ich schon aus eigener Erfahrung heraus beschrieben. Er steckt implizit in diesem Lachen über die »Anfänger«, die da mit Billigmethoden versuchen, große Unternehmen herauszufordern.
Der große Goliath verhöhnt da den kleinen David. Diese Häme bis hin zur Niederlage des Goliaths will ich in der folgenden Grafik verdeutlichen. Die Abbildung zeigt die schon vorgestellte Hype-Curve gestrichelt, die Hybris-Curve fett durchgezogen.
Wenn ein Erfinder das Neue enthusiastisch schildert, wird er zuerst einmal für verrückt gehalten. In der nächsten Phase wird dann in jeder Zeitung und auf jedem Blog ein Hype um das Neue gemacht. DasEtablierte reagiert sehr ärgerlich darauf, es kritisiert die naive Begeisterung der Journalisten, die durch keinerlei Expertentum getrübt ist. Das Lachen wird nun gehässig, wo es vorher nur ungläubig entgeistert war. Im Tal der Tränen kommen nun alle Probleme und Nebenwirkungen des Neuen zutage, die Presse beginnt nun, gnadenlos zu meckern, wo sie vorher Heilsbotschaften verbreitete. Das ist die Zeit des absoluten Triumphs des Establishments. »Internetbanken sind unsicher und können leicht geknackt werden!« – »Digicams machen schlechte Bilder!« – »Navis sind ungenau, ein Lkw mit Navi hat versucht, den Ärmelkanal zu durchqueren, weil der Eurotunnel im Computer als Autobahn eingezeichnet war!« Kennen Sie diese Horrorgeschichten? Sie treiben den Hochmut des Alten auf den absoluten Höhepunkt.
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Hybris-Curve
Viele Neuheiten scheitern jetzt tatsächlich. Sie verschwinden ins Unbedeutende. Ein Beispiel: Monatelang war die virtuelle Welt »Second Life« ein Megathema, es wurde prophezeit, dass wir uns dort bald alle versammeln … Heute? Es ist ganz still. Andere Neuheiten aber, wie Internetshopping, Internetbanking, Digitalfotografie oder Navigation, sind langsam aus der Meckerecke herausgekommen. In manchen Fällen akzeptieren die Pragmatiker das Neue langsam, oft geht es aber sehr schnell – wir beobachten derzeit einen echten Tipping Point oder Umschlagpunkt bei Smartphones und Tablets.
Jetzt stoppt das Lachen des Alten fast abrupt. Es muss nun reagieren. Kunden sagen: »Internetbanking ist nicht so toll, aber billiger.« –»Digicams sind nicht so toll, aber billiger.« – »Im Internet sind viele Sachen billiger, auch wenn ich den Läden da nicht vertraue. Ich habe aber schon echte Schnäppchen gemacht und kann einen Betrug auch mal verschmerzen.«
Das Alte reagiert auf dieses »noch nicht vertrauenswürdig, aber billiger« des Neuen zuerst mit eigenen
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