Das Nibelungenlied
Lüge schuf den Frauen · das allergrößeste Leid.
Sie gewannen Urlaub · an den Hof zu gehn.
Da sagten sie, sie stünden · in Lüdegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte · Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte · König Gunthern in das Land.
Die Boten grüßte Gunther · und hieß sie sitzen gehn.
Einer sprach darunter · »Herr König, laßt uns stehn,
Daß wir die Mären sagen · die euch entboten sind.
Wohl habt ihr zu Feinden · das wißt, mancher Mutter Kind.
»Euch widersagen Lüdegast · und König Lüdeger:
Denen schuft ihr weiland · grimmige Beschwer;
Nun wollen sie mit Heereskraft · reiten in dies Land.«
Gunther begann zu zürnen · als ihm die Märe ward bekannt.
Man ließ die falschen Boten · zu den Herbergen gehn.
Wie mochte da Siegfried · der Tücke sich versehn,
Er oder anders jemand · die man so listig spann?
Doch war es ihnen selber · zu großem Leide getan.
Der König mit den Freunden · ging raunend ab und zu.
Hagen von Tronje · ließ ihm keine Ruh:
Noch wollt' es mancher wenden · in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht' er Hagen · von seinen Räten abzustehn.
Eines Tages Siegfried · die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen · der Held von Niederland:
»Wie traurig geht der König · und die ihm Untertan?
Das helf ich immer rächen · hat ihnen wer ein Leid getan.«
Da sprach König Gunther · »Wohl hab' ich Herzeleid:
Lüdegast und Lüdeger · droh'n mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie · reiten in mein Land.«
Da sprach der kühne Degen · »Dem soll Siegfriedens Hand
»Nach allen euern Ehren · mit Kräften widerstehn;
Von mir geschieht den Degen · was ihnen einst geschehn.
Ihre Burgen leg' ich wüste · und dazu ihr Land,
Eh' ich ablasse · des sei mein Haupt euer Pfand.
»Ihr mit euern Mannen · nehmt der Heimat wahr;
Laßt mich zu ihnen reiten · mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene · lass' ich euch wohl sehn:
Von mir soll euern Feinden · das wisset, übel geschehn.«
»Nun wohl mir dieser Märe!« · der König sprach da so,
Als war' er seiner Hülfe · alles Ernstes froh.
Tief neigte sich in Falschheit · der ungetreue Mann.
Da sprach der edle Siegfried · »Laßt euch keine Sorge nahn!«
Sie schickten mit den Knechten · zu der Fahrt sich an:
Siegfrieden und den Seinen · ward es zum Schein getan.
Da hieß er sich rüsten · die von Niederland:
Siegfriedens Recken · suchten da ihr Streitgewand.
Da sprach der starke Siegfried · »Mein Vater Siegmund,
Bleibt ihr hier im Lande · wir kehren bald gesund,
Will Gott uns Glück verleihen · wieder an den Rhein.
Ihr sollt bei dem König · unterdessen fröhlich sein.«
Da wollten sie von dannen · die Fähnlein band man an.
Umher standen viele · die Gunthern Untertan
Und hatten nicht erfahren · wie es damit bewandt.
Groß Heergesinde war es · das da bei Siegfrieden stand.
Die Panzer und die Helme · man auf die Rosse lud;
Sich rüsteten aus dem Lande · viel starke Ritter gut.
Da ging von Tronje Hagen · hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um Urlaub · sie wollten räumen das Land.
»Nun wohl mir,« sprach Kriemhild · »daß ich den Mann gewann,
Der meine lieben Freunde · so wohl beschützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried · an meinen Brüdern tut!
Drum trag ich,« sprach die Königin · »immer fröhlichen Mut.
»Lieber Freund Hagen · nun hoff' ich, ihr gedenkt,
Daß ich euch gerne diene · ich hab' euch nie gekränkt.
Das komme mir zugute · an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten · was ich Brunhilden getan.
»Des hat mich schon gereuet« · sprach das edle Weib,
»Auch hat er so zerbläuet · zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beschwerte · mit Reden ihr den Mut,
Er hat es wohl gerochen · dieser Degen kühn und gut.«
Da sprach er: »Ihr versöhnt euch · wohl nach wenig Tagen.
Kriemhild, liebe Herrin · nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen möge · an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn' es niemand besser · und tu' es, Königin, euch gern.«
»Ich wär' ohn alle Sorge« · sprach da das edle Weib,
»Daß man ihm im Kampfe · Leben nähm' und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte · seinem Übermut,
So wär' immer sicher · dieser Degen kühn und gut.«
»Fürchtet ihr, Herrin« · Hagen da begann,
»Daß er verwundet werde · so vertraut mir an,
Wie soll ich's beginnen · dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer · bei ihm reiten und gehn.«
Sie sprach: »Du bist mir Sippe · so will ich dir es sein:
Ich befehle dir auf Treue · den
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