Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
daran, dass Mo der Auffassung war, nur zu bekommen, was ihr zustand. Nach drei Jahren jedoch hatte Mo genug von den ewigen grauen Tagen, die wie die Strickjacke eines alten Mannes an ihr hingen, und sehnte sich– nein, schrie– nach einem Ortswechsel, der ihre täglichen Vitamin-D-Tabletten überflüssig machen würde. Die Firma, für die sie arbeitete, hatte ihren Hauptsitz in New York, jedoch schnell und offensiv an allen strategisch günstigen Orten der Welt Filialen eröffnet. Es gab auch eine in Charlotte, da Hochfinanz und Steuern untrennbar miteinander verbunden sind. Die Filiale in Charlotte brachte so viel ein, dass die New Yorker Inhaber sie nur noch » Cha-ching« nannten– nach dem Klingeln einer Registrierkasse.
Mo hatte eine steile Karriere vor sich gehabt, Darrell hatte aber nicht den Eindruck, dass sie es bereute, diese aufgegeben zu haben. Wenn Mo sich zu etwas entschloss, ging sie es hochkonzentriert und ohne den geringsten Zweifel an. Chad hatte sie nachgestellt, seit sie ihn an einem milden Sommertag zum ersten Mal erblickt hatte. Er saß wie ein strahlender nordischer Held auf einer Parkbank und wurde von einer Schar schmachtender Blondinen umschwärmt. Schnell und skrupellos hatte sie ihn von der Schar gelöst und ihn Darrell als menschliches Pendant einer Crème Caramel beschrieben: goldfarben, fluffig und zuckersüß.
» Das Problem bei den Südstaatenfrauen ist«, hatte Mo zu ihr gesagt, » dass sie so wahnsinnig höflich sind. Es war wie in Denver Clan. Die waren alle wie Krystle. Aber ich war Alexis. Wahrscheinlich wussten sie gar nicht, wie ihnen geschah.« Und hinzugefügt: » Ich hätte ihnen gleich noch ihren Tiffany-Schmuck klauen sollen.«
Innerhalb eines Jahres waren Chad und Mo verheiratet. Überraschenderweise hatte Virginia nichts gegen die Wahl ihres Sohnes einzuwenden gehabt, obwohl sie ihn lieber mit irgendeiner Tochter aus ihrem Bostoner Bekanntenkreis zusammen gesehen hätte oder, falls das nicht geklappt hätte, mit Zara Phillips, die immerhin fast eine Prinzessin war. (Prinzessin Stephanie von Monaco hatte Virginia verworfen, da sie erstens zu alt war, zweitens zu nuttig und drittens aussah wie ein Leguan.)
Mo war überzeugt, dass Virginia ihren fehlenden Status beziehungsweise Adelstitel nur akzeptiert hatte, weil sie während der unvermeidlichen Telefonate vor der Hochzeit in Mos Mutter eine verwandte Seele erkannt hatte. Ihr Vater hatte, als Mo zwölf war, nicht nur seine Frau und sein einziges Kind verlassen, sondern auch das Land. Mo hatte das nicht sonderlich gestört, schließlich gewann sie durch den Skandal ein gewisses Ansehen bei ihren Freundinnen. Außerdem schickte der Vater regelmäßig tolle Geschenke von seiner neuen Heimat am Yukon, zum Beispiel perlenbesetzte Fellstiefel oder– Darrells Favorit– einen silbernen Anhänger in Form eines heulenden Wolfs. Ihre Mutter hingegen hatte sich in einen Schutzmantel der Wohlanständigkeit gehüllt, und ihre Sprache wurde ebenso makellos wie ihr Haus. Jetzt, dreiundzwanzig Jahre später, war ihre Respektabilität so schimmernd und undurchdringlich wie die Politur auf ihren hässlichen viktorianischen Möbeln. Selbst aus einer Entfernung von achttausend Meilen konnte Virginia dies spüren und gutheißen. Mochte Mo für ihren Geschmack auch ein wenig zu… frei sein, war Mos Mutter über jeden Tadel erhaben.
Mos Mutter kam, im Gegensatz zu Darrell, nicht zur Hochzeit ihrer Tochter, weil sie angeblich Flugangst hatte. Mo jedoch erklärte Chad, wahrscheinlicher sei es, dass sie den kompletten Norden Amerikas für gänzlich inakzeptabel erachtete, weil es ihrem flüchtigen Ehemann Unterschlupf gewährt hatte.
» Aber wir sind doch meilenweit von Kanada entfernt!«, hatte er protestiert.
» Ja, aber für meine Mutter ist das alles ein und dasselbe«, war Mos Antwort gewesen, » so wie jeder Asiat Schlitzaugen und Zahnlücken hat und jeder Afrikaner ein Speer werfender Uga-Uga-Krieger ist.«
Mrs. Horton schickte eine geschmackvolle Glückwunschkarte und eine Bergkristallvase von derart ausgesuchter Hässlichkeit, dass Mo es nicht mal über sich brachte, sie dem Kirchenbasar zu spenden.
Neun Monate und eine Woche nach der Hochzeit wurde Harry geboren. Er sah genauso aus wie Chad und wurde sofort das zweite Objekt von Lowells und Virginias Anbetung. Rosie hingegen kam zu Mos Erleichterung dunkelhaarig, wild und brüllend auf die Welt. » Genau wie ich«, hatte Mo Darrell hocherfreut erklärt. » Wenn ihre Haare
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