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Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Titel: Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Christus bis ins Jahr 393 nach Christus – verkündete Pythia ihre Visionen. Die Pythia wurde aus einer Gruppe Frauen mit tadellosem Charakter und hoher Moral ausgewählt. Mehrere Jahrhunderte kamen sie aus gebildeten, kultivierten Aristokratenfamilien, dann wieder war die Pythia eine ungebildete Frau aus einfachen Verhältnissen. In den ersten Jahrhunderten war die Pythia gern eine jugendliche Jungfrau, später wurden reifere Frauen mittleren Alters vorgezogen. Die Priesterinnen des Apollon-Tempels waren privilegiert und genossen einen hohen sozialen Status. Neun Monate im Jahr war Pythia aktiv. Die Saison für Weissagungen begann im Frühjahr. Zur Vorbereitung der Pythia gehörten etliche religiöse Reinigungsriten wie Fasten und Baden in Quellwasser. Für jede Weissagungssitzung ging sie nach unten in ihre Kammer und atmete heiliges Gas ein. Manche Leute behaupten, dass die Weissagungen ein wirres Gestammel ohne Sinn und Verstand waren, das erst von männlichen Priestern aufgeschrieben und dann übersetzt werden musste. Andere wiederum behaupten, das Orakel habe seine Weissagungen klar und deutlich direkt an die Frager weitergegeben.
    Das Orakel von Delphi war Teil einer gigantischen Tempelanlage, die Apollon geweiht war. Der Tempel lag am Südhang des Parnass zwischen der griechischen Stadt Lamia und dem Golf von Korinth. In der Hochzeit des Orakels wurden bis zu drei Pythien gleichzeitig eingesetzt, um die große Nachfrage nach Weissagungen zu bewältigen. Wer eine Vision von Pythia wünschte, musste Lorbeerblätter mitbringen, Opfertiere und nicht zuletzt Geld. Weissagungen waren damals wie heute ein lukratives Geschäft. Seit der Bronzezeit zog das Parnass-Gebirge Menschen an, die sich dem euphorischen Zustand hingaben, in den man dort manchmal versetzt wurde. Der Historiker Diodorus Siculus erzählt von einem Hirten, der entdeckte, dass eine seiner Ziegen sich sehr merkwürdig benahm, nachdem sie in eine Felsspalte gefallen war. Als er selbst dort hinunterkletterte, wurde er von einer Göttlichkeit erfüllt, die ihn klar in die Vergangenheit und Zukunft schauen ließ. An genau dieser Stelle wurde der Apollon-Tempel errichtet. Die bekannteste Theorie ist wohl, dass die Pythia berauschende Dämpfe – Ethylen oder Methan – einatmete, die aus Erdspalten unter dem Tempel emporstiegen. Auch der griechische Historiker Plutarch, der als Hohepriester im Apollon-Tempel diente, berichtete von den Gasen aus dem Erdreich. In seinem Werk Moralia schrieb er, dass die unterirdische Kammer der Pythia von Düften der süßesten und kostbarsten Parfüme erfüllt sei. In modernem Sprachgebrauch würden wir wahrscheinlich sagen, dass Pythia schlicht und ergreifend high war. Nostradamus seinerseits hatte zwar keine aus der Erde dringenden Rauschmittel zur Verfügung, aber es herrscht wenig Zweifel darüber, dass der französische Prophet – inspiriert von den Schilderungen in De Mysteriis Aegyptiorum – die Methoden des Orakels von Delphi bis ins kleinste Detail kopierte.
    Um die Suche in eine etwas konkretere Richtung zu lenken, schlug ich vor, dass wir uns einmal das Wort Blutregen genauer ansehen sollten – Professor Morettis Kurzversion von Nostradamus’ metaphorischem Finde den Bogen, wo Blut regnet . Leider wusste Theophilus de Garencières dazu nicht mehr zu sagen als Angelica und ich. Da Nostradamus ein Meister des Verpackens von geheimen Botschaften in Anagrammen war, versuchten wir es mit Vertauschen der Buchstaben, was uns aber auch nicht weiterbrachte. »Professor Moretti und ich haben uns bis zum Ende über Anagramme gestritten«, sagte de Garencières und entschuldigte sich augenblicklich: »Tut mir leid, ich meine das natürlich nicht wörtlich. Aber noch in der letzten Mail, die der Professor mir geschickt hat, ging es um ebendieses Thema.«
    »Haben Sie vielleicht noch andere Ideen?«, fragte ich. »Haben Sie und Professor Moretti mal über ein Thema diskutiert, das die jüngsten Ereignisse erklären könnte?«
    Er sah mich an, fast prüfend, ehe er nickte. Dann ging er mit kantigen Bewegungen zu einem der Regale, fuhr mit dem Zeigefinger über die Buchrücken und zog etwas heraus.
    »Orus Apollo!«
    Triumphierend hielt er das Buch in die Luft. In seiner Stimme schwang Andacht mit, als er fortfuhr: »Das Original befindet sich in Lyon. Die Handschrift stammt von Nostradamus, geschrieben irgendwann vor 1555, vermutlich eine Nachdichtung des griechischen Altertumswerkes Hieroglyphica . Das Werk stellt noch

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