Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
geben, das uns weiterhelfen kann?«
»Wer weiß«, murmelte de Garencières mit einem Funkeln in den Augen. Mit der Treffsicherheit eines Bibliothekars trat er an eins der Regale und zog ein dünnes Büchlein heraus. »Dies«, sagte er, »ist die Faksimileausgabe der 1568er-Ausgabe von Nostradamus’ Prophezeiungen , gedruckt von Benoist Rigaud in Lyon. Im Musée Arbaud in Aix-en-Provence liegt auch ein Exemplar. Klein, nicht wahr? Sieben mal zehn Zentimeter. Zweihundert Seiten. Die Version wurde nur zwei Jahre nach Nostradamus’ Tod gedruckt, nach der Vorlage seiner Originalausgabe. Viele Ausgaben, die in den folgenden Jahrhunderten publiziert wurden und den meisten unserer heutigen Übersetzungen zugrunde liegen, sind voller Fehler, Verfälschungen und Missverständnisse.« Er senkte die Stimme. »Darf ich meine äußerst private Theorie äußern? Ich vermute, Nostradamus hat etwas Großes vorhergesehen. Etwas Gefährliches. Etwas, das zu erfahren die Welt noch nicht reif war. Etwas, das die Allgemeinheit auf keinen Fall erfahren durfte. Ein Dritter Weltkrieg, der Weltuntergang, Armageddon? Ein Komet? Ein alles vernichtender Vulkanausbruch? Ein religiöses Geheimnis ungeahnter Dimension?«
IV
Ich stelle mir vor, dass Menschen wie Theophilus de Garencières unter einer Glasglocke leben, wo alles Unmögliche möglich ist, alles Lächerliche Wahrheit ist und die gesunden Einwände des Skeptikers als Sturheit, Misstrauen und Fantasielosigkeit ausgelegt werden. Wo wir anderen außerhalb der Glasglocke auf nachprüfbare Logik und kritisches Hinterfragen setzen, geben sie sich unsichtbaren Kräften hin, Göttern und Geistern, toten Seelen, Engeln und Dämonen.
Auf der anderen Seite des Tisches rieb sich Theophilus de Garencières vergnügt die Hände. »Okkultismus! Mystik! Magie! Astrologie!« Jedes Wort eine kleine begeisterte Explosion. »In unserer Zeit regiert der Rationalismus! Die Vernunft! Wir wollen alles begreifen und anfassen können. Das war ganz anders für Nostradamus. Er lebte in einer Zeit, in der die Menschen aufrichtig an die Mysterien des Lebens und des Todes glaubten. Damals gab es keinen künstlichen Widerspruch zwischen der Wissenschaft und den verborgenen Kräften der Natur. Sie sahen Zusammenhänge, wo wir Widersprüche sehen. Nostradamus war ein Kind seiner Zeit. Nach außen: ein hochgebildeter und belesener Pestarzt und Apotheker, ein geachteter Bürger. Zugleich: ein Prophet und Mystiker, der Okkultismus und Magie praktizierte. Hätte er nicht so gute Kontakte gehabt, wäre er sicher auf dem Scheiterhaufen gelandet. Vergessen Sie nicht, das war die Hochphase der Inquisition, die den Glauben verteidigen und alle falschen Doktrinen niederschlagen sollte. Wie Hexerei, Hellseherei, den Glauben an Magie und an Geister, die nicht in der Bibel stehen. Alles, wofür Nostradamus stand! Warum also wurde er nie aus dem Verkehr gezogen, vor ein Tribunal gestellt und zum Tode verurteilt als der ketzerische Zauberer, der er war? Weil Nostradamus Umgang mit den Allermächtigsten pflegte. Den Medici. Der französischen Königsgemahlin Katharina. Michelangelo. Sogar Machiavelli. Erstaunlicherweise. In einem Brief von Machiavelli an den großen Künstler Michelangelo – ein Brief, der in den Hinterlassenschaften Nostradamus’ gefunden wurde, mit seinen persönlichen Anmerkungen am Rand – werden die Medici als unsere florentinischen Wohltäter bezeichnet. Wieso, kann man sich fragen, war Nostradamus im Besitz eines privaten Briefes von Machiavelli an Michelangelo?«
V
Der Florentiner Niccolò Machiavelli war nicht nur Schriftsteller, Dramatiker, Poet und Philosoph, sondern auch Historiker, Diplomat und Stadtkanzler von Florenz. Sein bedeutendstes Werk ist Der Fürst , eine politische Analyse, ein Handbuch für Despoten, eine Gebrauchsanweisung für Diktatoren, das ABC des Ränkespiels und ausgeklügelter Machtergreifung. Ein Jahr, nachdem die Medici in Florenz wieder die Macht übernommen hatten, erschien Der Fürst . Machiavelli verlor seine Ämter und um ein Haar das Leben. Er wurde selbst zum Opfer der Methoden, die er skrupellos aufstrebenden Herrschern empfahl: Internierung, Arrest und Folter.
»Nostradamus … Machiavelli … Michelangelo …«, murmelte ich gedankenverloren.
»Und nicht genug damit: In einem Schreiben von Michelangelo an Nostradamus verweist der große Künstler auf einen geheimen Pakt mit Machiavelli über etwas, das sich in la cattedrale della diocesi di Roma befunden habe
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