Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
eine verschleierte Bedeutung.«
»Die in fünfhundert Jahren niemand aufgedeckt hat?«, entgegnete ich.
»Sie verstehen nicht. Den Code-Experten standen diese Chiffren fünfhundert Jahre lang nicht zur Verfügung. Niemand hat sie je gesehen! Diese Zeichen, Codes, Anagramme, Rebusse oder was immer das sein mag, sind nie in den späteren Ausgaben von Nostradamus’ Werken aufgetaucht. Es gibt sie ausschließlich in der Erstausgabe. Die – sicher nicht zufällig – verschwunden ist. Diese Abschrift wurde 1927 von einem bibliophilen Antiquar in einer vergessenen Handschriftensammlung in der maltesischen Nationalbibliothek in Valletta entdeckt.«
»Valletta?«, unterbrach ich ihn. »Sie wissen schon, dass die Bibliothek 1555 vom Malteserorden gegründet wurde? Und der Malteserorden ist das Gleiche wie der Johanniterorden.«
»So ist es! Seit ich im Besitz dieser Abschrift bin, versuche ich, sie zu decodieren. Aber ich habe einfach kein Talent. Darum habe ich Professor Moretti in den Ohren gelegen, mich zu besuchen. Aber er hat mir wahrscheinlich nicht recht geglaubt …«
Ich kannte Professor Moretti zwar nicht sonderlich gut, aber es hätte mich nicht überrascht, wenn er sich Männer wie Theophilus de Garencières und ihre vermeintlichen Schatzkammern voll jahrhundertealter Geheimnisse auf Armeslänge vom Leib hielt.
De Garencières blätterte weiter.
δέκα Mei
»Die griechischen Zeichen δέκα , oder deca , bedeuten zehn «, sagte er. » Mei heißt mein . Aber was bedeutet es? Zum Schluss habe ich noch einen besonderen Leckerbissen:«
ϢϪϪϪϯϯϮϤϦϭϧ
»Koptisch«, sagte ich.
»Das ist auch das Einzige, was ich herausgefunden habe.«
Ich versuchte mich daran, den Text zu deuten. Ein Ϣ , drei Ϫ , zwei ϯ , ein Ϯ , ein Ϥ , ein Ϧ , ein ϭ , ein ϧ . Würde ich den Zeichen etwas Vernünftiges abringen können?
Nein. Nichts. Absolut nichts.
Ich starrte lange auf die Chiffren.
Fünfhundert Jahre bargen sie nun schon ihr Geheimnis.
Aber alles Starren half nichts. Es hilft selten zu starren.
»Sagt Ihnen das etwas?«, fragte de Garencières.
»Nein. Aber ich habe eine Frage. Warum haben Sie nicht bei anderen Codierungsexperten Rat gesucht?«
»Bei jemand anderem als Professor Moretti? Das würde mir nie in den Sinn kommen. Aber er ist nicht gekommen!«
»Hätten Sie ihm Ihre Fragen nicht per Post oder Mail schicken können?«, hakte ich nach.
Er sah mich bestürzt an. »Ausgeschlossen! Sind Sie des Wahnsinns? Vollkommen ausgeschlossen! Niemals im Leben würde ich das aus der Hand geben und verschicken. Die gesamte Branche ist durchseucht von Betrügern, Fälschern, Blutsaugern, Verrätern und Zynikern, die ihre eigene Mutter ans Messer liefern würden, um ein so seltenes Dokument wie dieses in die Finger zu bekommen.«
Angelicas Kehle entrang sich ein Schluchzer.
Er schluckte, als ihm aufging, was er gerade gesagt hatte. Um es durch eine Entschuldigung nicht noch schlimmer zu machen, sprach er rasch weiter: »Erst, nachdem ich Professor Moretti kennen gelernt hatte und wusste, dass ich mich auf ihn verlassen kann, habe ich es gewagt, ihn hierher einzuladen. Aber er hatte nie Zeit! Hätte er sich nur die Zeit genommen … Ich habe ihn mit allem Möglichen versucht zu locken. Er hätte diese Chiffren sicher im Handumdrehen entschlüsselt. Aber er hat mich wohl nicht ernst genommen«, fügte er still und nachdenklich hinzu.
Weder Angelica noch ich sagten etwas.
Mit Theophilus de Garencières’ widerwilliger Genehmigung fotografierte ich die Manuskriptseiten und Chiffren mit meinem iPad. Es war ganz offensichtlich, dass es einen Zusammenhang gab, welchen allerdings, das war weit weniger klar.
»Wissen Sie«, fragte de Garencières Angelica, »ob Lorenzo jemals die andere Spur weiterverfolgt hat, von der ich ihm erzählt habe?«
»Welche andere Spur?«
»Na ja, vielleicht eher ein Tipp. Ich habe ihm zwei Tipps gegeben. Regina Ferrari und die Gonzaga-Sammlung war der eine.«
Er stockte. Ich sah Regina Ferrari vor mir. Im Büro der Uffizien, interessiert, mit Feuereifer. Danach tot in ihrem Bett. Ermordet. Ausgeblutet. Auch de Garencières schien an sie zu denken, denn er senkte die Stimme, als er weitersprach:
»Der andere Tipp betraf einen Brief der französischen Königin Katharina de’ Medici an Nostradamus. Ein umstrittener Brief, der sich inzwischen in den französischen Archives nationales befindet.«
»Wieso umstritten?«, fragte ich.
»Es ist absurd, aber etliche Leute
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