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Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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eintragen kann. Ich lege ein paar Dollarscheine in den Korb. Ein junger Mann in einem dunkelblauen Anzug und mit roter Krawatte steht in der Nähe der Tür, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Ein paar der Zuhörer, junge, gutaussehende Leute, sind ähnlich gekleidet wie er. Es sind Dr. Seters Anhänger, das begreife ich schnell, aber ich weigere mich zu postulieren, daß es sich hier um eine Art Sekte handelt. Es gibt viele Gruppierungen, auch christlicher Art, die man nicht als Sekten bezeichnen darf. Abgesehen davon wäre es mir ohnehin egal. Mich interessiert nur, ob er wirklich weiß, wovon er redet.
    Der junge Mann, der die Ankömmlinge begrüßt, wendet sich mir zu.
    »Willkommen! Darf ich fragen, wie Sie von dieser Veranstaltung erfahren haben?«
    »Durchs Radio«, antworte ich. »Gestern abend. Ich habe das Interview mit Dr. Seter gehört.«
    Er nennt den Namen eines Senders, und ich nicke.
    »Genau«, sage ich. »Kennen Sie den Doktor schon lange?«
    »Das kann man wohl sagen.« Der junge Mann lächelt und streckt mir seine Hand entgegen. »James Seter. Ich arbeite für meinen Vater.« Er blickt mich an.
    »Und wer sind Sie?«
    »Ich bin Alisa. Und das ist Seymour.«
    »Hi«, meldet sich Seymour zu Wort und ergreift James’ Hand, nachdem auch ich sie geschüttelt habe. Aber James Seter hat nur Augen für mich.
    »Haben Sie Dr. Seters Buch gelesen?« will er wissen.
    »Nein«, gestehe ich. »Ich hatte gehofft, hier vielleicht ein Exemplar zu erhalten.«
    »Der Bücherverkauf findet nach der Veranstaltung statt«, erklärt James.
    »Faszinierende Lektüre, wenn Sie mich nicht für zu voreingenommen halten.«
    »Wie ist es Ihrem Vater gelungen, so genau die Wiedergeburt Christi vorauszusagen?« frage ich.
    »Durch die Schrift Suzamas. Sie enthält genaue Informationen über die erneute Fleischwerdung des Messias. Sie hat auch die erste Geburt Christi sehr genau vorausgesagt.«
    Ich lächle. »Sie glauben wirklich daran?«
    Er nickt. »Suzama hatte eine besondere Gabe. Beim Studium ihrer Schrift habe ich keinen einzigen Fehler feststellen können.«
    »Das hört sich ja nach beeindruckenden Dokumenten an«, entgegne ich.
    »Warum haben sich trotz alldem noch keine Archäologen, Linguisten oder Theologen der Gegenwart damit beschäftigt?«
    James zögert. »Mein Vater wird in der Vorlesung auf diese Problematik eingehen. Stellen Sie ihm diese Frage. Seine Kenntnis der Schrift ist exzellent.«
    »Nur noch eine letzte Frage«, sage ich. »Hat er die Originalschrift heute abend mitgebracht?«
    »Ich fürchte nicht. Sie ist zu wertvoll, als daß wir riskieren können, sie zu einer öffentlichen Veranstaltung mitzubringen.«
    Obwohl ich ein gutes Ohr dafür habe, entdecke ich keine Lüge in seinen Worten. Seine Haltung wirkt natürlich und unbeschwert, keineswegs wie die eines Fanatikers. Mit seinen dunklen Augen sieht er mich an, und ich spüre, daß er mich mag. Er kann nicht älter sein als zweiundzwanzig, und er sieht ungewöhnlich gut aus.
    Nachdem ich mich bei ihm bedankt und Seymours Hand ergriffen habe, trete ich in die Kirche und schaue mich nach einem Platz um. Es ist bereits recht voll, aber es gelingt uns, vorn zwei Plätze zu finden. Die Zuhörerschaft ist bunt zusammengewürfelt, alt und jung, quer durch alle Gruppen und Schichten. Ich bedauere, daß ich keinen Blick auf die Schrift werfen kann. Ich bin sicher, daß ich erkennen würde, ob sie echt ist, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte.
    Suzama schrieb ihre Hieroglyphen in einer grazilen Handschrift, ich erinnere mich gut daran.
    Fünf Minuten später erscheint Dr. Seter.
    Er ist ein kleingewachsener Mann mit weißem Haar und einer unprätentiösen Art. Während er zum Podium geht, schätze ich sein Alter: Er dürfte etwa siebzig sein, wirkt aber wie sechzig. Seine hellen grauen Augen und seine Vitalität lassen ihn jünger erscheinen, als er ist. Er trägt einen grauen Anzug mittlerer Preisklasse und teure schwarze Schuhe. Er ist nicht so attraktiv wie sein Sohn, und irgend etwas sagt mir, daß James ein Adoptivkind ist. Dr. Seter wirkt wie ein Gelehrter. Sein Gesicht zeugt von Intelligenz und Wissen. Um all dies zu erkennen, brauche ich kaum mehr als einen Blick.
    Dann tritt James Seter nach vorn, um seinen Vater vorzustellen. Er zählt verschiedene akademische Verdienste auf. Dr. Seter hat in Theologie und Archäologie promoviert, einmal in Harvard, zum anderen in Stanford. Er ist Autor verschiedenster Veröffentlichungen und dreier Bücher.

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