Das Orakel der Seherin
BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH
Band 74 023
Erste Auflage: Februar 1999
© Copyright 1996 by Christopher Pike
All rights reserved
© Copyright Deutsche Lizenzausgabe 1999 by
Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co.,
Bergisch Gladbach
Originaltitel: The Last Vampire 5: Evil Thirst
Titelbild: Jan Balaz
Umschlaggestaltung: QuadroGrafik, Bensberg
Satz: Textverarbeitung Garbe, Köln
Druck und Verarbeitung: Ebner Ulm
Printed in Germany
ISBN 3-404-74023-8
1.
KAPITEL
Ich bin ein Vampir. Mehrere Jahrhunderte habe ich geglaubt, daß ich der letzte Vampir auf Erden sei, das mächtigste existierende Geschöpf. Diese Überzeugung hat mir großes Selbstvertrauen verliehen. Ich fürchtete nichts und niemanden, denn nichts und niemand konnte mir gefährlich werden. Dann jedoch erschien eines Tages mein Erschaffer, Yaksha, von dem ich geglaubt hatte, daß er tot sei, und ich entdeckte, daß ich nicht allmächtig war. Kurze Zeit später tauchte ein anderer Vampir auf der Bildfläche auf, Eddie Fender. Er besaß Yakshas Stärke, und einmal mehr wurde meine Existenz beinah beendet.
Doch ich überlebte sowohl Yaksha als auch Eddie und gebar eine Tochter, die unglaubliche Kraft und erschreckende Macht besitzen sollte: Kalika, Kali Ma, die Dunkle Mutter, höchste Göttin der Zerstörung. Ja, ich glaube daran, daß mein eigenes Kind die Inkarnation des Göttlichen ist. In einer verheerenden Vision ließ sie mich ihre unendliche Größe schauen. Das Problem ist nur, daß meine Tochter offenbar kein Gewissen hat.
Zur Zeit allerdings habe ich noch drei weitere Probleme: Ich weiß nicht, wo Kalika ist.
Ich weiß, daß ich sie zerstören muß.
Und gleichzeitig liebe ich sie.
Mir ist nicht klar, worin mein größtes Dilemma besteht, aber alle zusammen ergeben eine ziemlich gefährliche Kombination. Zudem gibt es ein anderes, erst kürzlich geborenes Kind, in dem meine Tochter einen Rivalen sieht. Ich kenne den Vornamen dieses Kindes nicht, ich weiß nur, daß es der Sohn meiner Freundin ist, Paula Ramirez. Die Macht dieses Kindes ist für mich noch immer ein Mysterium. Mit einem winzigen Gefäß seines Blutes ist es mir gelungen, meinen besten Freund, Seymour Dorsten, vom Tod zurück ins Leben zu beför-dern. Abgesehen davon weiß ich auch nicht, wo sich Paula und ihr Sohn zur Zeit befinden. Ob sie mit Kalika zusammen sind. Wenn das der Fall ist, werden sie vermutlich nicht mehr lange leben. Denn meine Tochter hat es auf dieses Kind abgesehen.
Doch warum nur? Ich weiß es wirklich nicht.
Probleme über Probleme.
Hört das alles denn niemals auf?
Ich stehe vor der Unity Church in Santa Monica, und Seymour Dorsten ist an meiner Seite. Drei Monate sind vergangen, seitdem wir das letztemal in Santa Monica waren, genauer gesagt, auf dem Pier. An dem Tag war Kalika zuerst entschlossen, Seymour nicht zu töten, doch dann warf sie einen hölzernen Speer nach ihm, während er im Ozean schwamm. Der Speer blieb in seinem Rückgrat stecken. Für sie war es damals eine Art Handel.
»Willst du es wirklich wissen?«
»Ja.«
»Du wirst dafür bezahlen müssen.«
Die Frage, die ich ihr gestellt hatte, war, wer Paulas Kind sei. Seymour tödlich zu verletzen war ihre Antwort auf meine Frage, eine äußerst merkwürdige Antwort. Doch hätte Kalika Seymour nicht getötet, wäre ich nie auf die Idee gekommen, das Blut des Kindes zu seiner Wiederbelebung zu verwenden. Ich hätte nie erfahren, wie besonders dieses Kind sein muß. Seymour selbst weiß nichts von alldem. Der entsetzliche Schock, praktisch aufgespießt zu werden, hat ihn fast alles andere, was in dieser Nacht geschah, vergessen lassen. Er erinnert sich nur daran, vom Pier ins Wasser geworfen worden zu sein.
Natürlich drängt er mich noch immer, ihn zu einem Vampir zu machen. Er glaubt, daß wir dann endlich miteinander schlafen würden. Bisher habe ich das nicht getan, weil ich glaube, daß es unsere ganz besondere Beziehung zerstören würde.
Zum zehntenmal fragt mich Seymour jetzt, warum ich ihn zu einer New-Age-Vorlesung mitgeschleppt habe. Sie ist überschrieben mit: Die Geburt Christi –
eine ägyptische Prophezeiung erfüllt sich. Der Redner ist ein gewisser Dr.
Donald Seter, Gründer einer New-Age-Gemeinschaft, der Suzama-Society. Ich möchte an dieser Veranstaltung teilnehmen, weil Dr. Seter kürzlich zwei unglaubliche Thesen aufgestellt hat. In einem Radio-Interview hat er erklärt, daß Christus wiedergeboren worden sei – an genau dem Tag, als Paulas Kind das
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