Das Orakel der Seherin
Berechnung ihrer Daten verwendet haben. Wie haben Sie die eine Form in die andere umgerechnet?«
»Es war keine Umrechnung notwendig. Die Daten beziehen sich nicht auf einen Mond-, sondern auf einen Sonnenkalender.«
Seine Antwort enttäuscht mich. »Aber als Archäologe müssen Sie doch erkennen, wie unglaubwürdig das die ganze Sache macht. Es weist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß die Schrift, die sie gefunden haben, entweder aus einer späteren Zeit stammt oder ganz und gar unecht ist.«
Dr. Seter läßt sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen. »Ich als Archäologe war natürlich überrascht, daß sie die Daten nach dem System eines Sonnen- und keines Mondkalenders berechnet. Doch wenn wir davon ausgehen, daß sie eine besondere Gabe hatte, sollten wir auch akzeptieren, daß sie vielleicht einfach gewußt hat, daß irgendwann in der Zukunft der Sonnen- den Mondkalender ablösen wird. Für mich jedenfalls ist es sogar so etwas wie eine Bestätigung, daß sie nach dem Sonnenkalender rechnet.«
»Nennt Sie außer den drei geistigen Führern noch andere?« frage ich.
Dr. Seter zögert. »Ja. Aber sie sagt, daß sie aus einer anderen Linie stammen.«
»Nennt sie zum Beispiel Isis?«
Dr. Seter ist erstaunt. »Darüber habe ich in keinem meiner Bücher geschrieben. Aber ja, es stimmt, Suzama war Hohepriesterin der Isis.« Er zögert, bevor er fortfährt: »Darf ich fragen, warum Sie mir diese Frage stellen?«
»Darüber können wir ein andermal sprechen«, sage ich und setze mich rasch.
Seymour lehnt sich vor und flüstert mir etwas ins Ohr:
»Du weißt, daß du damit die Aufmerksamkeit auf dich lenkst«, warnt er mich.
»Nur so viel, daß er versuchen wird, im Anschluß an die Veranstaltung mit mir zu sprechen«, antworte ich.
»Glaubst du, daß er die Wahrheit sagt?«
»Er selbst ist auf jeden Fall davon überzeugt. Er ist kein Täuscher und kein Lügner.« Ich überlege. »Aber das bedeutet natürlich nicht, daß seine Behauptungen stimmen. Ganz und gar nicht.«
Unzählige weitere Fragen folgen.
»Wie hat Suzama Kalifornien beschrieben?«
Antwort: »Als Land am anderen Ende des großen Kontinents hinter dem Ozean, wo immer die Sonne scheint.«
»In welche Art von Familie wurde Christus diesmal hineingeboren?«
»Eine arme, zerbrochene Familie.«
»Welche Nationalität wird Christus haben?«
»Er wird dunkelhäutig sein.«
Vielen der Anwesenden behagt diese Antwort nicht. Vielleicht würde auch ich darüber schmunzeln – wäre Paulas Kind nicht von eher dunkler Hautfarbe, genau wie seine Mutter.
Schließlich bleibt noch eine Frage übrig, die mich beschäftigt, genauer gesagt ist es Dr. Seters Antwort auf eine Frage. Man hat ihn gefragt, ob sich der wiedergeborene Christus in Gefahr befände, solange er noch ein Kind sei. Dr. Seter zögert lange mit der Antwort. Offensichtlich wird in Suzamas Schrift in diesem Zusammenhang irgendeine Warnung ausgesprochen.
»Ja«, antwortet er schließlich. »Suzama sagt, daß die Mächte der Dunkelheit sogar den Willen der Gerechten beugen werden, um das Kind zu finden und es zu zerstören. Außerdem sagt sie, es sei die Pflicht der Alten und Mächtigen, das Kind aufzufinden und es zu beschützen.«
Im nächsten Moment fährt meine Hand in die Höhe.
»Beschreibt Suzama die Gestalt, welche die Mächte der Dunkelheit annehmen werden?« frage ich atemlos.
Er zögert. »Nein. Eigentlich nicht.«
Es ist seine erste Lüge an diesem Abend. Merkwürdig.
Die Alten und Mächtigen?
Wer auf dieser Welt ist älter und mächtiger, als ich es bin?
2.
KAPITEL
Ich habe vor, mich noch an diesem Abend genauer mit Dr. Donald Seter zu unterhalten, und ich glaube, daß meine Chancen besser stehen, wenn ich Seymour fortschicke. Er freut sich, noch rechtzeitig zu einem Spätfilm in Westwood zu kommen. Seymour wäre hinderlich für mich, weil ich vorhabe, den verehrten Doktor durch seinen Sohn James zu erreichen. Ich greife eines der Exemplare von Dr. Seters Buch Das Geheimnis der Suzama, die auf dem Tisch ausliegen und für zwanzig Dollar zu kaufen sind. Damit schlendere ich hinüber zu James, der die Gäste mit freundlichem Lächeln verabschiedet. Er steht neben dem Ausgang und bedankt sich bei allen für ihr Kommen. Er ist ein netter junger Mann mit einem festen Händedruck. Als er mich sieht, leuchten seine Augen auf.
»Alisa«, sagt er, »Ihre Fragen waren wirklich ungewöhnlich.«
»Sie haben meinen Namen nicht vergessen. Das ist schön.« Ich
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