Das Orakel der Seherin
Aussagen über machtvolle Formen der Meditation, die meiner Meinung nach den in dieser Disziplin Unerfahrenen gefährlich werden könnten.
Wer aber bin ich, daß ich mir anmaße, zu entscheiden, welches Wissen zu gefährlich für die Menschheit ist? Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, daß ich selbst verschiedene Experimente nach Suzamas Anleitungen durchgeführt – und dabei beinah mein Leben verloren habe. Aus meiner Sicht wäre es absolut unverantwortlich, Suzamas Wissen zu verbreiten.
Warum aber sollten Sie mir überhaupt all das glauben, was ich Ihnen hier erzähle? Warum sollten Sie mir überhaupt glauben, daß Suzama existiert hat?
Nun, Sie müssen mir nicht glauben. Ich verlange es nicht von Ihnen. Übrigens habe ich Teile von Suzamas Schrift von anerkannten Archäologen untersuchen lassen. Da ich ihnen jedoch nicht das Original zur Verfügung gestellt habe, weigern sie sich, mit absoluter Sicherheit zu entscheiden, daß die Schrift der Suzama authentisch ist. Doch viele dieser Archäologen gehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, daß sie es ist. Eine Liste dieser Experten finden Sie in meinem Buch.
Was hat uns diese schon vor langem verstorbene Frau über die Geburt und Wiedergeburt von Christus zu sagen? Zum einen stellt Suzama fest, daß Christus bisher nicht nur einmal, sondern zumindest viermal in der Geschichte der Menschheit auf der Welt war: als Lord Krishna in Indien, etwa zweihundert Jahre vor Suzamas Geburt; als Adi Shankara in Indien, fünfhundert Jahre vor Christi Geburt und unserem Jahr Null; und schließlich als Christus selbst. Die Schrift der Suzama nennt alle drei Geburtsdaten und sagt damit zumindest zwei von ihnen voraus, und sie sagt gleichzeitig, daß die Seelen all dieser großen Propheten und Glaubensherren identisch waren. Außerdem sagt die Schrift, daß diese unendliche Seele vor kurzem erneut in einem menschlichen Körper wiedergeboren wurde, und zwar während der vergangenen drei Monate. Sie nennt auch das exakte Datum der Geburt, nämlich den fünfzehnten März, und sagt, daß das Kind hier in Kalifornien das Licht der Welt erblickt habe.«
Ein Raunen geht durch die Zuhörerschaft. Dr. Seter schweigt und trinkt erneut einen Schluck Wasser. Er hat ihn sich verdient, denke ich, nach dem, was er gerade enthüllt hat. Nachdem er sich einmal mehr geräuspert hat, fährt er fort:
»Welchen Beweis habe ich dafür, daß Suzama wirklich wußte, worüber sie da schrieb? Wenn ich davon ausgehe, daß ihre Hinterlassenschaft authentisch ist, also tatsächlich aus dem alten Ägypten stammt, muß ich zugeben, daß sie bisher eine außerordentlich hohe ›Trefferquote‹ in ihren Voraussagen hatte. Aber das ist nicht das einzige, was mich an die Echtheit der Schrift glauben läßt: Indem ich nämlich ihren in der Schrift festgehaltenen Anweisungen gefolgt bin, haben sich mir viele ihrer Verse auf eine geradezu intuitive Weise erschlossen, und ich habe die verborgene Bedeutung in ihnen erkannt. Ich sehe, daß viele von Ihnen jetzt die Stirn runzeln. Sind Suzamas Ratschläge und Voraussagen denn irgendwie verschlüsselt, fragen Sie sich jetzt. So verschlüsselt und geheimnisvoll, daß es notwendig ist, sie zu interpretieren?
Die Antwort auf diese beiden Fragen ist gleichzeitig ja und nein. Suzamas Aussagen sind sehr konkret, was Zahlen und Daten angeht. Sie sagt genau, wann Shankara und Christus geboren wurden. Doch was esoterische Praktiken angeht, sind ihre Aussagen nicht so eindeutig. Das Studium ihres Textes setzt das Studium des eigenen Geistes voraus, und gerade diese Tatsache ist es, die mich bisher daran gehindert hat, der Öffentlichkeit ihre ganze Schrift zu offerieren. Für Wissenschaftler muß Wissen objektiv nachweisbar, also empi-risch sein. Doch diese Form der Studien, die Suche nach der Seele nämlich und nach Gott, kann meines Erachtens nur subjektiv betrieben werden.«
Dr. Seter hält inne und läßt seinen Blick über die Zuhörer schweifen. »Ich monologisiere nicht gerne allzulange. Sie können mir jetzt gerne Fragen stellen.«
Viele Hände schießen in die Luft. Dr. Seter blickt einen Mann in mittleren Jahren an, der ganz in unserer Nähe sitzt. Der Mann erhebt sich, um zu sprechen.
»Wie haben Sie diesen Text eigentlich gefunden?« fragt er. »Hat Sie irgend etwas zu ihm geführt?«
Dr. Seter zögert nicht mit der Antwort. »Ein Traum. Ich habe geträumt, wo ich ihn finde. Dann bin ich hingegangen, habe an dieser bestimmten
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