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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Ziel ihrer Wünsche gebracht hätten. Dabei haben sie alles nur geträumt.« Luxon hielt an – und auf einmal leuchtete ein Skarab in seiner Handfläche. Mythor blickte sich um. Sie befanden sich in einem gemauerten Gewölbe. In den Wänden gab es Nischen, in denen sich menschliche Gebeine auftürmten.
    In einer Nische waren grinsende Totenschädel zu einer Pyramide aufgeschichtet, in einer anderen lagen Armknochen übereinander, und in einer dritten standen halbe Gerippe aneinandergereiht.
    »Das alles sind die Gebeine von Orakeldienern«, erklärte Luxon. »Es gibt unzählige solcher Beinhäuser. Wenn ein Orakeldiener stirbt, wird er nach hier unten gebracht und aufgebahrt. Dann kommen die Skaraben und halten Mahlzeit, bis nur noch die blanken Knochen übrig sind. Ja, die Leuchtkäfer sind die Totengräber der Orakeldiener, sie hausen hier unten zu Tausenden. Angeblich haben sie ihre Leuchtkraft von den Geistern der Verstorbenen.«
    »Woher hast du all das Wissen?« fragte Mythor verblüfft.
    Luxon lachte wieder. »Bevor ich einen Plan ausführe, hole ich umfangreiche Erkundigungen ein. Das war auch am Baum des Lebens so. Ich stürze mich nie kopflos in ein Unternehmen, sondern sichere mich zuerst nach allen Seiten hin ab. Jetzt weiß ich genug, um ohne Hilfe der Diener bis zum Orakel vorzudringen. Machst du mit?«
    »Du denkst wohl nie daran, auf ehrliche Weise ein Ziel zu erreichen«, tadelte Mythor.
    »Diesmal tust du mir unrecht«, sagte Luxon. »Zuerst habe ich versucht, auf normalem Weg eine Fragestunde beim Orakel zu bekommen. Ich habe sogar meinen Bogen und den Köcher mit den Pfeilen im Pfänderhaus hinterlegt. Da, siehst du?« Zum Beweis, dass er die Wahrheit sagte, hob er ein Knotenleder hoch. »Aber ich habe schon bald erkannt, dass ich von den Orakeldienern nur hingehalten wurde. Da versuchte ich es eben auf meine Weise. Du hast ja auch nicht gerade die besten Erfahrungen mit den Orakeldienern gemacht, Mythor. Man wollte dir zwar weismachen, dass du beim Orakel gewesen bist, aber darauf fällst du doch nicht herein, oder?«
    »Ich beginne daran zu zweifeln«, gestand Mythor. »Aber ich verstehe nicht, warum die Orakeldiener mich täuschen wollten.«
    »Ich wüsste einen Grund«, sagte Luxon. »Es heißt, dass irgend etwas mit dem Orakel nicht stimmt. Es geht sogar das Gerücht, dass es das Orakel gar nicht mehr gibt und dass die Diener selbst seine Rolle übernommen haben.«
    »Du meinst, das Orakel ist gestorben?« fragte Mythor. »Möglicherweise… wenn es ein sterbliches Wesen war«, antwortete Luxon. »Dann haben es längst die Skaraben aufgefressen. Aber vielleicht hat es sich beim Orakel auch nur um einen Geist gehandelt, ich weiß es nicht, denn darüber konnte mir der verfemte Orakeldiener keine Auskunft geben. Nur ganz wenige der Orakeldiener sind Eingeweihte, und diese schweigen.«
    »Das wäre wirklich eine Erklärung, warum Gorel mich drängte, Theran wieder zu verlassen«, meinte Mythor nachdenklich. Er schüttelte den Kopf. »Es ist kaum vorstellbar, dass es gar kein Orakel gibt.«
    »Wir können uns gemeinsam davon überzeugen«, sagte Luxon. »Ich kenne den Geheimgang, der ins Innere Orakel führt. Ich bin fest entschlossen, ihn zu benutzen und die Wahrheit herauszufinden. Und was ist mit dir?«
    Mythor dachte nach. Aber das nicht deshalb, weil er um eine Entscheidung mit sich ringen musste, ob er das Orakel immer noch befragen wollte. An dieser seiner Absicht hatte sich nichts geändert, und ihm war es letztlich egal, auf welche Weise er an das Orakel herankam. Er überlegte sich nur, welche Möglichkeiten Luxon diesmal hätte, ihn zu übervorteilen. Luxon war mit allen Wassern gewaschen, und Mythor traute ihm jede Gemeinheit zu, wenn es ihm einen persönlichen Vorteil brachte.
    »Hast du Angst vor der Wahrheit?« stichelte Luxon. »Ich kann verstehen, dass du den Wahrspruch des Orakels fürchtest. Es wäre auch eine große Demütigung, wenn es mir in deiner Gegenwart bestätigt, dass ich der Sohn des Kometen bin.«
    »Ich frage mich nur, was du im Schilde führen magst«, sagte Mythor wahrheitsgetreu. »Aber egal, ich habe den Orakelspruch weniger zu fürchten als du. Ich schließe mich dir an.«
    »Ich wusste es«, sagte Luxon und klopfte Mythor auf die Schulter. »Bald werden wir erfahren, wer von uns beiden wirklich der Auserwählte ist, falls es überhaupt noch ein Orakel gibt. Ich muss dir gestehen, Mythor, dass ich gar nicht so siegessicher bin, wie ich mich gebe.«
    Mythor

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