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Das Orakel von Theran

Das Orakel von Theran

Titel: Das Orakel von Theran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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für ein Gewand?« fragte Mythor. »Besteht es aus Schlangenhaut?«
    »Dort, von wo ich komme, ist das so Mode«, erwiderteNyala. »Aber willst du nicht lieber wissen, was ich hier zu suchen habe? Ich kann es dir sagen. Ich möchte das Orakel darüber befragen, was ich tun kann, um Coerl O’Marn und meinen Vater zu retten.«
    »Selbst wenn dir das Orakel Rat erteilen kann, müsstest du vorerst wissen, wo sie zu finden sind«, sagte Mythor.
    »Das wird nicht schwer sein.« Nyala lachte bitter auf. »Wohin sie kommen, hinterlassen sie Tod und Vernichtung. Ihre Fährte des Schreckens führt geradewegs in den Süden. Und so bin ich zum Orakel gekommen.«
    Mythor hatte auf einmal Mitleid mit dieser Frau. Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung, bei der sie ihn als Sohn des Kometen bezeichnet hatte. Nyala war es gewesen, die ihn zu den Wasserfällen geführt hatte, hinter denen die Gruft der Gwasamee gelegen hatte – der erste Fixpunkt des Lichtboten. Ohne sie wäre er nie zu dem geworden, der er war, zu einem Kämpfer der Lichtwelt.
    Gewiss hatte sie eigennützig gehandelt, sie war selbstsüchtig und bei allem, was sie tat, auf ihren eigenen Vorteil bedacht gewesen. Und bestimmt hatte sie sich Einfluss und Macht davon erhofft, als sie ihn veranlasste, die Prüfungen abzulegen, die ihn zum Sohn des Kometen machen sollten. Mythor vergaß auch das nicht. Doch es konnte seine Gefühle zu ihr nicht beeinträchtigen. Nyala hatte sich gewandelt, wie er selbst auch.
    »Wenn ich dir helfen kann, Nyala…«, begann er und griff nach ihr. Als er jedoch mit der Schlangenhaut in Berührung kam, zuckten seine Hände wieder zurück.
    »Das kannst du, Mythor«, sagte sie. »Nimm mich mit zum Orakel. Ich weiß, dass du die besten Aussichten von allen hast, die hier untergebracht sind. Als Sohn des Kometen könntest du erreichen, dass ich dich begleiten darf. Mir geht es um das Schicksal meines geliebten Vaters.«
    »Ich werde sehen«, sagte Mythor zurückhaltend. Er wollte dem Mädchen nicht sagen, dass eine Gruppe von Orakeldienern gar nicht damit einverstanden war, ihm das Fragerecht zu gewähren. Er schwieg lieber, um Nyala keine Enttäuschung zu bereiten.
    »Versprich es mir!« verlangte Nyala.
    »Ich verspreche es!« gelobte Mythor und fühlte sich nicht wohl dabei, denn er hatte keine Ahnung, ob und wie er das Versprechen einlösen konnte.
    »Achtung!« rief da Nageb vom Eingang, und der Skarab blinkte kurz auf. »Eine Prozession von Orakeldienern ist zu Mythor unterwegs.«
    »Dann mach schnell, dass du in deine Kammer kommst«, rief Nyala. »Wenn sie dich holen kommen, dann denke bitte an mich.«
    »In diesem Fall weiß ich, was ich zu sagen habe«, erklärte Mythor, dem plötzlich ein Einfall kam. »Ich werde dich als Zeugin vor das Orakel bestellen, die mich als Sohn des Kometen bestätigen kann.«
    »Das ist gut«, rief Nyala. »Aber jetzt eile. Viel Glück, Mythor.«
    »Komm schon«, sagte Nageb und zog Mythor mit sich. Der dicke Sidyer watschelte vor Mythor durch die verwinkelten Gänge. Es ging über Treppen hinauf und über andere hinunter, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie zu Mythors Kammer gelangten.
    »Schnell hinein, und stell dich schlafend!« sagte Nageb gehetzt. »Die Orakeldiener können jeden Augenblick hier sein.«
    »Richte Nyala aus, dass ich sie nicht vergessen werde«, rief Mythor dem Sidyer verhalten nach, wusste aber nicht, ob er seine letzten Worte noch gehört hatte.
    Mythor tastete sich zu seinem Lager und legte sich mit unter dem Kopf verschränkten Armen darauf. Er wollte den Eingang im Auge behalten. Er lag mit angespanntem Körper da, war sprungbereit.
    Aber die Zeit verging, und nichts ereignete sich.
    Die Stille lastete schwer auf ihm. Manchmal bildete er sich ein, Geräusche zu hören, vermeinte, einen Lichtschein zu sehen, den ein Skarab der Gruppe der näher kommenden Orakeldiener vorausschickte. Doch das konnte nur Einbildung gewesen sein, denn niemand erschien, der die Stille mit seiner Stimme durchbrach. Kein Leuchtschimmer zerriss die Finsternis.
     Oder waren die Orakeldiener bereits da? Versteckten sie sich, um ihn aus der Dunkelheit zu belauschen und darauf zu warten, bis er eingeschlafen war?
    Mythor atmete flacher, um kein Geräusch zu verursachen. Da stieg ihm ein süßer Geruch in die Nase. Er war jenem ähnlich, den er an der Pforte des Orakels eingeatmet hatte, und er benebelte diesmal seine Sinne mehr als ehedem.
    Er sprang auf und hielt das Fell des Wamses vors

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