Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
bezug auf Investitionen noch nervös waren, es auch begriffen.
Und es kam, wie es kommen mußte.
Italiener sind feinfühlige Leute. Sie fühlen sich wohler, wenn sie mit ihresgleichen Geschäfte machen. Eine Anzahl der Leute aus dem Baugewerbe, die Castelanos, die Latronas, die Battellas – die mit Industriebauten Vermögen verdient
hatten, wanderten zu Cardone. Cardone mit nur zwei Silben. »Joey Cardone«, riefen sie ihn. Und Joey fand steuerbegünstigte Anlagen für sie, Joey besorgte ihnen Wachstumswerte, Joey fand Sicherheit für sie.
Das Geld strömte herein. Der Umsatz der Maklerfirma verdoppelte sich dank Joeys Freunden fast. Worthington und Bennett, Mitglieder der New Yorker Börse, wurden zu Worthington, Bennett und Cardone. Und von da war es nur ein kurzer Schritt zu Bennett-Cardone, Ltd.
Cardone war seinen Compares dankbar. Aber der Grund für seine Dankbarkeit war zugleich auch der Grund, warum er ein bißchen zusammenzuckte, wenn ein Streifenwagen zu häufig in der Nähe seines Hauses auftauchte. Denn einige wenige seiner Compares ,vielleicht sogar mehr als einige wenige, standen am Rande – vielleicht sogar nicht mehr ganz am Rande – der Unterwelt.
Er beendete seine Arbeit mit den Gewichten und stieg auf seine Rudermaschine. Der Schweiß quoll ihm aus den Poren, er fühlte sich jetzt wohler. Die Bedrohung des Streifenwagens begann zu schwinden. Schließlich kehrten neunundneunzig Prozent der Saddle-Valley-Familien am Sonntag aus den Ferien zurück. Wer hatte je von jungen Leuten gehört, die an einem Mittwoch aus den Ferien zurückkehrten? Selbst wenn es so auf der Liste in der Polizeistation stand, war es durchaus möglich, daß ein gewissenhafter diensthabender Sergeant das für einen Fehler hielt und Sonntag daraus machte. Niemand kehrte am Mittwoch zurück. Mittwoch war ein Arbeitstag.
Und wer würde je ernsthaft glauben, Joseph Cardone könnte etwas mit der Cosa Nostra zu tun haben? Er war der Fleisch gewordene Beweis der Arbeitsethik. Die amerikanische Erfolgsgeschichte. Ein Princeton-All-American.
Joe zog seinen Trainingsanzug aus und ging in die Dampfkammer,
die jetzt mit Dampf angefüllt war. Er setzte sich auf die Bank und atmete tief. Der Dampf wirkte reinigend. Nach fast zwei Wochen franko-kanadischer Küche bedurfte sein Körper der Reinigung.
Er lachte lauthals in seiner Dampfkammer. Es war gut, wieder zu Hause zu sein, in dem Punkt hatte seine Frau recht. Und Tremayne hatte ihm gesagt, daß die Ostermans am Freitagmorgen kommen würden. Es würde gut sein, Bernie und Leila wiederzusehen. Es waren fast vier Monate vergangen, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Aber sie waren in Verbindung geblieben.
Zweihundertfünfzig Meilen südlich von Saddle Valley, New Jersey, liegt jener Teil der Hauptstadt der Nation, den man als Georgetown kennt. In Georgetown ändert sich der Lebensrhythmus jeden Nachmittag um halb sechs. Vorher ist er langsam, aristokratisch, ja delikat. Nachher beschleunigt er sich—nicht plötzlich, aber zunehmend. Die Einwohner von Georgetown, größtenteils Männer und Frauen von Macht und Wohlstand, und beidem verpflichtet, widmen sich mit großer Hingabe der Ausbreitung ihres Einflusses.
Nach halb sechs beginnen die Spiele.
Nach halb sechs ist in Georgetown die Zeit für strategische Schachzüge.
Wer ist wo? Und warum?
Mit Ausnahme des Sonntagnachmittags, wenn die Makler der Macht ihre Kreationen der vergangenen Woche überblikken und sich die Zeit nehmen, um ihre Kräfte für die nächsten sechs Tage des strategischen Spiels neu zu formieren.
Es werde Licht und es ward Licht. Es werde Ruhe und es ward Ruhe.
Nur mit der Ausnahme, daß das nicht für alle gilt.
So zum Beispiel nicht für Alexander Danforth, Berater
des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Ein Berater ohne Portefeuille und ohne genau definierte Aufgaben.
Danforth war der Verbindungsmann zwischen der Sicherheits-Kommunikationszentrale in den unteren Stockwerken des Weißen Hauses und der Central Intellience Agency in McLean, Virginia. Er war ein Makler der Macht par excellence, weil er nie sichtbar war und doch seine Entscheidungen zu den wichtigsten in Washington zählten. Unabhängig von den Administrationen hörten alle auf seine leise Stimme. So war das seit Jahren.
An diesem Sonntagnachmittag saß Danforth mit dem stellvertretenden Administrator der Central Intelligence Agency, George Grover, unter dem Bougainvilleabaum, der Danforths kleinen Hinterhof beschattete, vor dem
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