Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
Anruf von seinem Büro bekommen, am Montag dort zu sein. Die Börse spielte zur Zeit verrückt. Besonders bei den Termingeschäften, die Joes Spezialität waren.
Betty nickte am Telefon und beantwortete damit Joes Frage. Das löste das Problem mit dem Abendessen. Das Buffet war nicht schlecht, auch wenn man im Club das Geheimnis eines guten Antipasto immer noch nicht gelernt hatte. Joe sagte dem Geschäftsführer immer wieder, daß man Genueser Salami verwenden mußte, nicht Pastrami, aber der Küchenchef hatte eben mit einem geschickten Lieferanten einen Abschluß gemacht, was konnte da ein ganz gewöhnliches Clubmitglied schon ausrichten? Selbst Joe nicht, der wahrscheinlich der reichste von ihnen allen war. Andererseits war er Italiener — zwar nicht katholisch, aber immerhin Italiener –, und der Saddly Valley Country Club gestattete Italienern erst seit zehn Jahren den Zutritt. Eines Tages würden sie sogar Juden hineinlassen – das würde dann eine große Feier geben.
Diese stillschweigende Intoleranz – denn ausgesprochen wurde das nie – war es, die die Cardones, die Tanners und die Tremaynes veranlaßte, Bernie und Leila Osterman im Club auffällig herzuzeigen, wenn sie nach Osten kamen. Eines mußte man ihnen allen sechs lassen – Spießer waren sie keine. Seltsam, dachte Cardone, als er den Hörer auflegte
und in den kleinen Gymnastikraum neben seinem Haus ging, seltsam, daß die Tanners sie zusammengebracht hatten. John und Ali Tanner hatten die Ostermans in Los Angeles gekannt, als Tanner gerade in seinem Beruf anfing. Jetzt fragte sich Joe, ob John und Ali wirklich verstanden, welche Bindung zwischen Bernie Osterman und ihm und Dick Tremayne bestand. Es war eine Beziehung, über die man mit Außenstehenden nicht redete.
Am Ende lief es auf die Art von Unabhängigkeit hinaus, die jederman suchte und um die vielleicht jeder besorgte Bürger betete; es gab Gefahren, Risiken, aber für ihn und Betty war das gut. Auch für die Tremaynes und die Ostermans. Sie hatten untereinander darüber gesprochen, es analysiert, es gründlich durchdacht, und waren gemeinsam zu ihrem Entschluß gekommen.
Für die Tanners wäre es vielleicht auch richtig gewesen. Aber Joe, Dick und Bernie waren übereingekommen, daß das erste Signal von Joe selbst kommen mußte. Das war entscheidend wichtig. Es hatte genügend Andeutungen gegeben, und Tanner hatte nicht reagiert.
Joe schloß die schwere gepolsterte Tür seiner privaten Turnhalle, drehte die Dampfhähne auf und zog sich aus. Er zog Trainingshosen und einen Trainingspullover an, den er von dem Regal aus rostfreiem Stahl nahm. Er lächelte, als er die gestickten Initialen auf dem Flanell sah. Nur ein Mädchen aus Chestnut Hill würde ein Monogramm auf eine Trainingsanzug-Jacke nähen lassen.
J.A.C.
Joseph Ambruzzio Cardone.
Guiseppe Ambruzzio Cardione. Zweites von acht Kindern, die der Ehe von Angela und Umberto Cardione entstammten, ehemals Sizilien und später South Philadelphia. Zu guter Letzt amerikanische Staatsbürger. Amerikanische Fahnen
neben zahllosen kosmetikgeschönten Bildern der Jungfrau Maria, die ein engelhaftes Christkind mit blauen Augen und roten Lippen hielt.
Guiseppe Ambruzzio Cardione wuchs zu einem breitschultrigen, ungeheuer starken jungen Mann heran, der so ziemlich der beste Athlet war, den die South Philadelphia High je gesehen hatte. Er war Präsident seiner Seniorenklasse und wurde zweimal in den Städtischen Studentenrat gewählt.
Von den vielen Collegestipendien, die ihm angeboten wurden, wählte er das mit dem größten Prestige aus, Princeton, das auch am nächsten bei Philadelphia lag. Als Princeton-Verteidiger schaffte er für seine Alma Mater das scheinbar Unmögliche. Er wurde zum All-American gewählt, der erste Princeton-Footbal-Spieler seit vielen Jahren, dem diese Ehre zuteil wurde.
Einige dankbare alte Herren verschafften ihm den Zugang zur Wall Street. Er kürzte seinen Namen zu Cardone ab, wobei der letzte Vokal nur ganz schwach betont wurde. Das klang irgendwie majestätisch, dachte er. Wie Cardozo. Aber natürlich ließ sich davon niemand täuschen, und bald war es ihm gleichgültig. Der Markt expandierte, explodierte förmlich, bis praktisch jedermann Obligationen kaufte. Zuerst war er einfach nur ein guter Kundenberater. Ein Italienerjunge, der es zu etwas gebracht hatte, ein junger Mann, der mit den Neureichen reden konnte, die genügend Geld hatten, um es auszugeben; so reden, daß die Neureichen, die in
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