Das Paket mit dem Totenkopf
1. Der Überfall
Der Wind wimmerte in den kahlen
Ästen der Buchen. Von den Tannen rutschten Schneelawinen. Klatschend fielen sie
auf den einsamen Weg des Stadtwaldes. Von einer wurde Tarzan erwischt. Eisig
rieselte es ihm in den Kragen und den Rücken hinunter. Er blieb stehen, lachte
und schüttelte sich. Aber plötzlich reckte er lauschend den Kopf.
„Hiiiilfe! ... Hiiiilfe!“
Heulend fuhr im nächsten
Augenblick der Wind durch die Bäume, und der Junge wußte nicht, ob er die
dünne, ferne Stimme wirklich gehört hatte. Oder war es der Wind, der in dieser
winterlichen Einsamkeit mal wie das Heulen von Wölfen, mal wie spukhafte
Stimmen klang?
Tarzan setzte sich in Trab. Daß
er jeder Sache auf den Grund gehen mußte, war für ihn klar wie Kloßbrühe.
Neugier und Unerschrockenheit gehörten zu ihm wie seine sehnigen Beine. Jetzt
spurtete er um die scharfe Kurve, die der Weg hier beschrieb.
Was er sah, verschlug ihm den
Atem.
Sogar die Eichhörnchen und
Meisen rings um den Futterplatz empörten sich. Jedenfalls kam es Tarzan so vor,
als schimpften sie. Und zwar über die Gemeinheit und Roheit, die hier einem
alten Mann — er mußte sehr alt sein — angetan wurde.
Er wehrte sich zwar. Aber er
war gebrechlich. Gegen die zwei jungen Burschen hatte er keine Chance. Hinterrücks
wurde er von dem einen gepackt. Der andere schlug ihm mit der Faust vor die
Brust. Dann nahm er ihm mit geübten Griff die Brieftasche weg.
„Halt!“
Tarzan wollte gar nicht rufen.
Es rutschte ihm einfach raus.
Die beiden erstarrten. Ihre
Köpfe ruckten zu ihm herum. Sie hatten keine Gesichter.
Strumpfmasken waren über die
Köpfe gezogen — mit Sehschlitzen, hinter denen das Weiß der Augen schimmerte.
Trotzdem — daß es junge
Burschen waren, darüber bestand kein Zweifel. Sie trugen Winterjeans,
Schnee-Stiefel und gefütterte Pilotenjacken und waren etwas größer als der
13½jährige Tarzan.
Die Hände des Stämmigen, der
den Alten geschlagen hatte, steckten in rotledernen Fäustlingen. Wie
Boxhandschuhe sahen sie aus. Aber Tarzan wußte, daß es die modernsten und teuersten
Handschuhe für Skiläufer waren. Nur in besten Sportgeschäften kriegt man die.
„Überfall!“ rief der alte Mann.
Seine Knie waren eingeknickt. Aber der Maskierte hielt ihn noch. „Hol... hol
Hilfe, Junge.“
Jetzt rutschte sein linker Fuß
weg und stieß gegen den dicken Spazierstock, der im Schnee lag.
Hilfe holen? dachte Tarzan. Ich
bin Hilfe genug. Aber daß ich als Judosportler schon den blauen Gürtel habe,
sieht man mir natürlich nicht an.
Ohne sein Tempo zu mindern,
rannte er auf die Gruppe zu.
„Verschwinde!“ schrie der
Stämmige.
Dann schien er zu stutzen.
Für einen winzigen Moment schoß
es Tarzan durch den Kopf: Der hat mich erkannt! Also kennt er mich und...
Für weitere Überlegungen
reichte die Zeit nicht mehr.
Der Stämmige erwartete Tarzan
in Boxerstellung.
Doch sein wuchtiger Fauststoß
puffte ins Leere. Schon hatte Tarzan den Arm gepackt. Wie eine Gliederpuppe
wirbelte der Stämmige durch die Luft. Er brüllte, weil sein Arm verdreht wurde
wie ein Handtuch beim Auswringen. Das tat natürlich höllisch weh, und Tarzan
ließ den Arm erst los, als der Stämmige wie ein Mehlsack auf den Rücken
plumpste. Stöhnend blieb er liegen.
„Achtung, Junge!“ schrie der
Alte.
Tarzan fuhr herum.
Um Sekundenbruchteile war es zu
spät. Die Faust des zweiten Räubers traf ihn gegen die Stirn.
Sekundenlang brannte ein
Silvesterfeuerwerk vor Tarzans Augen ab, obwohl es bereits Mitte Januar war.
Sonnenräder drehten sich. Raketen zischten. Sternlein sprühten.
Aber Tarzan war nicht umsonst
in der großen Internatsschule der beste Sportler seines Jahrgangs — vor allem
beim Volleyball, im Judo und Sprint. Auf seine Muskeln und Reflexe (unwillkürliche
Bewegungen) konnte er sich verlassen. Leichtfüßig wich er zurück. Der
andere setzte nach.
Aber jetzt hatte das Feuerwerk
in Tarzans Kopf seine Munition verschossen. Tarzan sah wieder klar. Unter
anderem sah er, wie der alte Mann sich bückte und den schweren Spazierstock
aufhob.
Der Maskierte schlug mit der
Faust zu.
Tarzan unterlief den Schlag.
Im nächsten Moment wälzten sich
beide im Schnee. Aber Tarzan war stärker, viel stärker — und er hätte auch ohne
seine ausgebildete Judotechnik gesiegt.
Mit den Kragenenden der
Pilotenjacke setzte er einen wirkungsvollen Würgegriff an.
„Gibst du auf?“ schrie er.
„Laß... laß mich...“, keuchte
der
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