Das Paradies am Fluss
Trehearnes am Tamar.
Als die Vierzig-Fuß-Jolle Alice durch das bewegte Wasser auf die beiden Brücken zusegelt, schaut Sophie, die im Cockpit sitzt, auf und sieht zu, wie der Zug von der Brücke rattert. Zwei Kinder stehen an einem Waggonfenster und winken, und Sophie winkt instinktiv zurück. Johnnie Trehearne, der am Steuerruder steht, lächelt.
»Freunde von dir?«, fragt er müßig.
Sie lacht. »Weißt du nicht mehr, wie du das als Kind gemacht hast? Zügen und Lastwagenfahrern und vorbeifahrenden Autos zuzuwinken? Es war immer so toll, wenn jemand zurückgewinkt hat.«
»Wenn du es sagst«, meint er freundlich.
Sie fahren mit Motorantrieb flussaufwärts, weichen einer kleinen Gruppe um die Wette segelnder Laser-Dingis und ein paar Sonntagsseglern aus, die mit ihren Booten nur am Wochenende oder in den Ferien hinausfahren, und Johnnie spürt die Zufriedenheit, die er auf dem Fluss oder auf dem Meer immer empfindet. In dem Moment, in dem der Anker hochgezogen wird, die Taue fallen und die Entfernung zwischen Boot und Anlegestelle sich vergrößert, ist er am glücklichsten. Vielleicht liegt es daran, dass er in seinen jungen Jahren im Schatten seines älteren Bruders gestanden hat – des mondänen, brillanten Al –, und das Dingi-Fahren war damals seine ganz persönliche Art, sich unabhängig zu fühlen und stolz auf seine Fähigkeiten zu sein. Als Kind hatten seine Alleinfahrten im Dingi, bei denen er über das Wasser geglitten war und sein Geschick an Wind und Flut gemessen hatte, sein Selbstvertrauen und seine Zuversicht auf eine Weise gestärkt, wie es in Als Nähe nicht möglich gewesen war.
Als sie heute mit Motorkraft der Flut entgegenfahren, trägt auch Sophies Anwesenheit zu Johnnies Zufriedenheit bei. Sie ist Haushälterin, Gärtnerin, Faktotum, Gefährtin und Verbündete. Sophie, eine enge Freundin seiner jüngeren Tochter, lebt bei ihnen, seit die beiden Mädchen das Studium an der Universität abgeschlossen haben; und jetzt, zwanzig Jahre später, ist sie ihm so lieb wie jedes andere Mitglied seiner Familie.
»Eine von Johnnies Versagern.« So hatte seine Mutter sie in diesen frühen Jahren genannt, als er darauf bestanden hatte, Sophie für ihre viele Arbeit ein Gehalt zu zahlen. Doch Johnnie weiß, wie viel sie Sophie verdanken, die sie mit dem ihr eigenen unkonventionellen gesunden Menschenverstand und ihrer liebevollen Fröhlichkeit durch Todesfälle und Geburten, alltägliche Freuden und Verletzungen begleitet hat. Sie ist damals zu ihnen gekommen, um sich von einer Abtreibung und einer gescheiterten Beziehung zu erholen, und einfach geblieben. Eine schöne Beigabe ist es, dass sie gern und gut segelt. Nach dem Tod seiner lieben Meg und nachdem die Mädchen mit ihren Familien ins Ausland gezogen sind – Louisa nach Genf und Sarah nach Deutschland –, hätte er sich ohne Sophie sehr einsam gefühlt.
Johnnie vermutet, dass nicht einmal Sophie ermessen kann, wie sehr ihm die Mädchen und ihre Kinder fehlen. Er weiß, dass er Glück hat, weil sie ihn regelmäßig besuchen, um in sein Haus einzufallen, seine Boote zu segeln und im Seegarten Partys zu feiern. Aber ihm ist auch klar, dass ihre Bereitschaft, aus Genf und Deutschland anzureisen, teilweise darauf beruht, dass Sophie hier ist und plant, organisiert und ihren Aufenthalt angenehm und mühelos gestaltet. Häufig bringen sie noch Freunde und deren Kinder mit, und sie feiern weiterhin hier am Tamar gemeinsam Geburtstage und Weihnachten. Die Kehle wird ihm ein wenig eng, als er an seine süße, liebevolle Meg denkt und daran, wie viel sie verpasst hat und wie glücklich ihre hübschen, klugen Töchter und ihre ungestümen, lebenslustigen Enkelkinder sie gemacht hätten.
Die Flut kommt herein und trägt sie das breite Flussbett hinauf, wo die Möwen jetzt ihre Futterplätze verlassen und das gelbbraune Watt sich mit ineinander verwobenen und sich überkreuzenden blauen Rinnsalen füllt, als das Wasser sich in tiefe, schlammige Kanäle ergießt.
Sophie sieht auf die Uhr. »Wir sind rechtzeitig zum Mittagessen da«, erklärt sie. »Das wird Rowena freuen.« Die beiden wechseln einen kurzen, amüsierten Blick, der die Tyrannei der älteren Generation kommentiert.
Johnnies Mutter – Rowena, Lady T. oder das Granny-Monster, je nachdem, wer spricht – lebt weiter bei ihm. Sie ist kränklich, dominierend, undankbar, aber immer noch jemand, an dem man nicht vorbeikommt. Doch er liebt sie, soweit sie das Zeigen von Gefühlen zulässt, so
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