0862 - Ssacahs Rückkehr
An der Südküste der Insel Mauritius gelegen, bot das Shanti Ananda alles, was ein Mensch nicht brauchte. Es erstreckte sich über eine Fläche von 15 000 Quadratmetern und verfügte über 55 Villen und Suiten, mit 24-Stunden-Service, Swimmingpools und direktem Zugang zum Meer. In allen Räumen ließ sich das Meeresrauschen genießen. Wände gab es nur wenige. Viel dagegen gab es an Therapien, die teils horrende Aufpreise kosteten, die man aber auch einfach ignorieren konnte -klassische Aryuveda-Babehandlungen mit Yoga, Aroma- und Hydrotherapien, Thalassomassagen und Wassershiatsu, Körperpeelings und Meditation. Der verantwortliche Direktor hatte eigens etwa 20 Experten aus dem indischen Mutterhaus nach Mauritius geholt, überzeugt davon, dass diese Menschen aus der heiligen Stadt Rishikesh, der Wiege von Yoga und Aryuveda, über Heilkräfte verfügten.
Rick Kernavon hätte sich all das mühelos leisten können. Aber er wollte nicht; es erschien ihm zu esoterisch, zu überdreht. Er wollte nur den absoluten Luxus genießen.
Nachdenklich betrachtete er die Messingkobra, die jemand auf einen kleinen Tisch gelegt hatte. Vielleicht, überlegte er, war es einer der Inder; Indien war doch die Heimat der Kobras, und dies sah ihm sogar nach einer Königskobra aus. Sehr fein und lebensecht modelliert. Jemand hatte hier ein Kunstwerk geschaffen, das beinahe schöner war als die Natur - aber nicht so gefährlich.
Dachte Kernavon.
Er hob die Figur vom Tisch, um sie näher zu betrachten. Noch ein Schluck Cognac dazu - das war die Art von Genuss, wie er sie liebte. Er lächelte; die Kobra sah aus, als würde sie jeden Moment zum Leben erwachen.
Und genau das tat sie!
Von einem Atemzug zum anderen wurde sie beweglich, riss das Maul mit den spitzen Giftzähnen weit auf. Eine gespaltene Zunge pendelte witternd, und im nächsten Moment biss die Messingkobra bereits zu.
Kernavon spürte, wie die Giftzähne in seinen Arm eindrangen. Er schrie auf, ließ die Kobra los. Aber sie fiel nicht zu Boden, sie hatte sich mit den Zähnen in Kernavons Arm verhakt!
Er spürte, wie seine Kraft nachließ.
Das Cognacglas zerschellte am Boden.
Kernavon taumelte zum Zimmertelefon. Schwindel erfasste ihn; die ganze Suite schien sich um ihn zu drehen.
»Hilfe«, keuchte er in den Telefonhörer. »Hilfe!«
Seine Stimme war kaum noch zu verstehen.
Alles um ihn herum war schwarz. Dass er zu Boden stürzte und dabei das Telefon von der Konsole riss, merkte er schon nicht mehr.
***
Château Montagne, Frankreich:
Professor Zamorra vernahm ein seltsam schabendes Geräusch, wie es entstand, wenn ein schuppiger Körper sich bewegte. Er dachte an Fooly, den Jungdrachen. Doch als er sich umwandte, war von dem Drachen nichts zu sehen.
Stattdessen war da eine überdimensionale Königskobra! Sie kroch direkt auf Zamorra zu, ein wahres Monster. Allein der hoch aufragende Kopf mit dem aufgerissenen Maul war annähernd so groß wie ein ausgewachsener Elefant. Die Giftzähne waren Säbeln gleich.
Zamorra erstarrte. Das durfte es doch nicht geben!
»Ssacah«, stieß er hervor.
Aber der Kobradämon, der einst aus einem Zwischenreich heraus über Indien herrschte und seinen Herrschaftsbereich zu erweitern trachtete, war doch tot!
Zamorra selbst hatte ihn getötet, per Laser und mit Hilfe von Merlins Tochter Eva! [1]
»Das gibt es nicht«, flüsterte Zamorra. »Du bist tot, tot, tot!«
»Dass glaubsst du nur«, zischte der Kobradämon. »Du ssiehsst doch, dass ich lebe! Finde dich damit ab und sstirb!«
***
Shanti Ananda, Mauritius:
Ranga Aso, der aus Indien stammte, aber nicht zu den »Heilern« gehörte, sah Rick Kernavon zurückgelehnt in einem der Sessel. Kernavon hob den Kopf, als Aso eintrat.
»Sie haben um Hilfe gerufen, Sahib«, sagte Aso und verneigte sich kurz mit gefalteten Händen. »Was ist passiert?«
»Es ist alles in Ordnung«, erwiderte Kernavon. Er sprach seltsam metallisch, und seine Augen waren kalt und tot.
So wie die des Inders.
»Räumen Sie das da weg«, sagte Kernavon und deutete mit einer fahrigen Bewegung, als wisse er nicht so recht seinen Arm zu benutzen, auf die Scherben.
»Sofort, Sahib.« Aso stellte das am Kabol herunterbaumelnde Telefon auf die Konsole zurück und legte den Hörer auf. Dann ging er zu einem Schrank, der nahezu mit der Wand verschmolz und dessen Tür erst auf den zweiten Blick zu erkennen war, und nahm Kehrblech und Handfeger heraus. Er fegte die Scherben und Splitter zusammen und ließ sie im
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