Das Paradies der Damen - 11
Licht, das durch die breiten Kellerfenster hereinfiel, war eine Schar von Männern damit beschäftigt, die herabgleitenden Sendungen in Empfang zu nehmen, eine andere Gruppe hatte die Aufgabe, unter der Aufsicht des Abteilungsleiters die Kisten und Ballen zu öffnen. Die Betriebsamkeit einer Werkstatt erfüllte den ganzen Keller.
»Ist alles da, Bouthemont?« fragte Mouret einen kräftig gebauten jungen Mann, der eben dabei war, den Inhalt einer Kiste festzustellen.
»Es wird wohl jetzt alles angekommen sein«, erwiderte Bouthemont. »Aber ich werde den ganzen Vormittag mit der Abnahme vollauf zu tun haben.«
Der Abteilungsleiter stand an einem großen Tisch, und während einer seiner Verkäufer Stück für Stück die Seiden aus der Kiste nahm und vor ihm stapelte, verglich er jeden Posten mit den Angaben auf dem Begleitschein. Um sie herum reihte sich Tisch an Tisch, sämtlich vollgepackt mit Waren, die von einem Heer von Angestellten geprüft wurden. Es war ein allgemeines Auspacken, ein scheinbares Durcheinander von Stoffen, die unter lebhaftem Stimmengewirr hin- und hergewendet, geprüft und schließlich ausgezeichnet wurden.
Bouthemont, der in seinem Fach schon einen gewissen Ruf genoß, hatte ein rundes, gutmütiges Gesicht, einen pechschwarzen Bart und schöne, braune Augen. Er war etwas prahlerisch veranlagt, für den Verkauf nicht sonderlich geeignet, im Einkauf dagegen unbezahlbar. Sein Vater, der in Montpellier ein kleines Modewarengeschäft führte, hatte ihn nach Paris geschickt, damit er etwas Rechtes lerne. Als es ihm aber genug erschienen war und er den Sohn hatte zurückrufen wollen, damit er das väterliche Geschäft übernehme, hatte der junge Mann sich geweigert, Paris zu verlassen. Seither hatte sich die Kluft zwischen Vater und Sohn mehr und mehr vertieft. Der Alte hielt an seinem Kleinhandel fest und war ganz empört, als er sehen mußte, daß ein einfacher Angestellter das Dreifache von dem bekam, was er selbst verdiente. Der Sohn dagegen machte sich lustig über den Betrieb daheim, prahlte mit seinen Errungenschaften und stellte alles auf den Kopf, wenn er zuweilen nach Hause kam. Gleich den übrigen Abteilungsleitern bezog er außer seinen dreitausend Franken Jahresgehalt noch eine Umsatzprovision. Er hatte im Einkauf völlig freie Hand, reiste fast jeden Monat nach Lyon, um bei den Fabriken seine Bestellungen aufzugeben, und mußte nur von Jahr zu Jahr in einem bestimmten Verhältnis den Umsatz seiner Abteilung steigern.
Bourdoncle hatte mittlerweile einen der Stoffe zur Hand genommen, dessen Griffigkeit er mit der Miene des Fachmanns prüfte. Es war eine Seide mit blau-silberner Webkante, das berühmte »Pariser Glück«, mit dem Mouret einen entscheidenden Schlag führen wollte.
»Die Seide ist wirklich sehr gut«, murmelte Bourdoncle.
»Und vor allem wirkungsvoll«, bemerkte Bouthemont. »Bleibt es dabei: wir zeichnen sie mit fünf Franken sechzig aus? Sie wissen, das ist knapp der Einkaufspreis.«
»Ja, fünf Franken sechzig«, erwiderte Mouret lebhaft; »wenn es nach mir allein ginge, würde ich sie mit Verlust weggeben.«
Der Abteilungsleiter lachte laut auf.
»Das wäre mir nur angenehm; sie ginge dann dreimal so schnell weg, und mir liegt ja daran, daß recht viel verkauft wird.«
Bourdoncle hingegen blieb ernst und kniff die Lippen zusammen. Er bezog seine Prozente vom Reingewinn, folglich hatte er kein Interesse an herabgesetzten Preisen. Die Kontrolle, die er übte, war hauptsächlich darauf gerichtet, die Auszeichnung zu überwachen, damit Bouthemont, um seine Umsätze zu vergrößern, nicht mit zu niedrigen Spannen arbeitete.
»Wenn wir sie mit fünf Franken sechzig abgeben, ist es so gut wie mit Verlust verkauft«, bemerkte er, »denn wir dürfen unsere sehr beträchtlichen Unkosten nicht vergessen. Überall sonst würde man sie für sieben Franken verkaufen.«
Mouret wurde ärgerlich, schlug mit der flachen Hand auf die Seide und rief erregt:
»Das weiß ich ja, und deshalb will ich meinen Kunden ein Geschenk damit machen! Mein Lieber, Sie werden die Frauen niemals verstehen. Begreifen Sie denn nicht, daß sie sich um den Stoff reißen werden?«
»Natürlich! Und je mehr sie sich darum reißen, desto größer ist unser Verlust.«
»Wir werden an diesem Artikel einige Centimes verlieren. Was weiter? Ist das ein Unglück, wenn es uns damit gleichzeitig gelingt, alle Frauen anzulocken, ihnen mit unserer Warenmenge die Köpfe so zu verdrehen, daß wir mit ihnen
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