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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ein plötzliches Stimmengewirr aus dem Salon unterbrach ihn. Die Damen waren in eine lebhafte Auseinandersetzung geraten: abermals ging es um Spitzen, ihre Qualität und ihre Preise. Endlich wurden sie wieder leiser, die Stimmen gingen allmählich in ein Geflüster über.
    »Glauben Sie mir«, sagte Mouret, als er wieder zu Wort kam, »man kann alles verkaufen, was man will, wenn man nur zu verkaufen versteht! Das ist eben unsere Kunst.«
    Mit seinem südlichen Temperament setzte er dem Baron das Wesen des modernen Verkaufs auseinander. Da war vor allem die überwältigende Macht, die von einem riesigen, an einem Punkt konzentrierten Warenangebot ausging; niemals durfte es an etwas fehlen, jeder gewünschte Artikel mußte stets zur Stelle sein, die Kundin wurde von Tisch zu Tisch gezogen, kaufte hier einen Stoff, dort die Zutaten und wieder an einem ändern Tisch einen Mantel, sie kleidete sich ein, stieß abermals auf etwas Unvorhergesehenes und gab dem Wunsch nach allerlei überflüssigen, aber hübschen Dingen nach. Dann pries er die Einrichtung, die Waren für jedermann ersichtlich auszuzeichnen. Heutzutage spiele sich der Konkurrenzkampf sozusagen unter den Augen des Publikums ab, ein Spaziergang vor den Auslagen könne das künftige Preisniveau bestimmen. Man begnüge sich mit einem geringen Gewinn, Betrügereien gebe es nicht mehr; die Zeiten seien vorbei, da man sich an einem Artikel bereichert habe, indem man ihn um das Doppelte seines Werts verkaufte. Flotter Umsatz, ein angemessener Verdienst an allen Waren, geschickt veranstaltete Sonderverkäufe: darin lag das Geheimnis des Erfolgs. War das keine verblüffende Neuerung? Sie hatte den ganzen Markt auf den Kopf gestellt, ganz Paris umgewandelt und entsprach doch der Natur der Frau.
    »Ich habe die Frau in meiner Gewalt – um den Rest brauche ich mich nicht zu kümmern!« sagte er in einem offenen Geständnis. Dieser Ausruf schien Baron Hartmann wankend zu machen. Sein Lächeln war nicht mehr spöttisch; er betrachtete den jungen Mann, der ihn durch seine Zuversicht allmählich gewann.
    »Still!« sagte er leise in väterlichem Ton, »man könnte Sie hören.«
    Doch die Damen sprachen jetzt alle auf einmal und waren dermaßen hingerissen von ihrem Thema, daß sie nicht einmal einander mehr zuhörten.
    Flüsternd, als wollte er ihm eines jener Geständnisse machen, wie sie unter Männern zuweilen vorkommen, führte Mouret seine Erklärungen zu Ende. Alles lief auf die Ausbeutung der Frauen hinaus. Die Warenhäuser machten sich die Frauen durch ihre gegenseitige Konkurrenz streitig, verwirrten sie durch ihre Auslagen, lockten sie in die Falle ihrer Gelegenheitskäufe. Sie weckten neue Wünsche in den Frauen, sie bildeten eine ungeheure Versuchung, der jede zum Opfer fiel, ob sie auch anfangs als gute Hausfrau nur billig einzukaufen gedachte: sie wurde unfehlbar durch ihre Koketterie fortgerissen und zum Schluß betört. Wenn in diesen Warenhäusern die Frau als die Königin dastand, angebetet und umschmeichelt in ihren Schwächen, umgeben von aller Zuvorkommenheit, so herrschte sie doch nur als eine Königin der Liebe, deren Untertanen mit ihr ein Spiel treiben und die jede ihrer Launen mit einem Tropfen ihres Blutes bezahlt. Und unter Mourets liebenswürdigem Wesen verbarg sich die Mißachtung des Mannes der Frau gegenüber, die die Dummheit begangen hat, sich ihm hinzugeben.
    »Wer die Frauen in der Hand hat«, sagte er leise, mit einem überlegenen Lächeln zu Baron Hartmann, »der kann die ganze Welt verkaufen.«
    Jetzt begriff der Baron. Er zwinkerte verständnisinnig mit den Augen und betrachtete Mouret allmählich mit Bewunderung. Unbewußt gebrauchte er denselben Ausdruck wie Bourdoncle, ein Wort, das seine langjährige Erfahrung ihm eingab:
    »Sie werden sich an Ihnen rächen.«
    Doch Mouret zuckte in vernichtender Mißachtung die Achseln. Alle gehörten sie ja ihm, meinte er, und er lieferte sich keiner aus. Wenn er sein Vermögen und sein Vergnügen aus ihnen herausgeholt hatte, würde er sie sämtlich abschütteln und denen überlassen, die dann noch auf ihre Rechnung kommen könnten.
    »Wie ist es, verehrter Baron«, fragte er zum Schluß, »wollen Sie mit mir gehen? Erscheint Ihnen das Grundstücksgeschäft so durchführbar?«
    Obgleich halb besiegt, wollte sich der Baron noch immer nicht binden. Er war schon im Begriff, ausweichend zu antworten, als plötzlich ein dringender Ruf der Damen ihn dieser Mühe enthob.
    »Herr Mouret, Herr Mouret!«

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