Das Paradies der Damen - 11
Unternehmen der Immobilienbank war ja wirklich erstaunlich! Sie glauben nicht, wie glücklich und stolz ich bin, Ihnen die Hand drücken zu dürfen.«
»Zu liebenswürdig, Herr Mouret, zu liebenswürdig«, wiederholte der Baron lächelnd.
Henriette betrachtete die beiden und schien entzückt, als sie sie in so gutem Einvernehmen sah.
»Meine Herren«, sagte sie schließlich, »ich darf Sie jetzt Ihrem Gespräch überlassen?«
Dann wandte sie sich zu Paul, der sich erhoben hatte, und fragte:
»Eine Tasse Tee gefällig, Herr von Vallagnosc?«
»Mit Vergnügen, gnädige Frau.«
Und die beiden kehrten in den Salon zurück.
Mouret setzte sich wieder auf das Sofa, wo Baron Hartmann schon Platz genommen hatte. Der junge Mann erging sich in neuen Lobsprüchen über die Unternehmungen der Immobilienbank. Dann kam er auf das zu sprechen, was er auf dem Herzen hatte. Er sprach von der neuen Straße, von der Verlängerung der Rue Réaumur, von der ein Teil unter dem Namen Rue du Dix-Décembre zwischen der Börse und dem Opernplatz demnächst in Angriff genommen werden sollte. Er, Mouret, wartete schon seit drei Jahren auf diese Arbeiten, zunächst weil er einen Aufschwung des Geschäftsbetriebs voraussah, vor allem aber, weil er sein Haus noch vergrößern wollte, und dies in einem Maße, wie er es kaum zu gestehen wagte. Da die Rue du Dix-Décembre die Rue de Choiseul und die Rue de la Michodière schneiden sollte, sah er im Geiste das »Paradies der Damen« schon den ganzen Block einnehmen, der von diesen Straßen und von der Rue Neuve-Saint-Augustin begrenzt war; er stellte es sich bereits mit einer palastartigen Front nach der neuen Straße vor, das ganze neu erstehende Stadtviertel beherrschend. Der lebhafte Wunsch, Baron Hartmann kennenzulernen, aber war in ihm aufgestiegen, als er erfahren hatte, die Immobilienbank habe in einem Vertrag mit der Bauverwaltung die Abbrucharbeiten und den Aufbau der Rue du Dix-Décembre übernommen unter der Bedingung, daß man ihr die angrenzenden Grundstücke überlasse.
»Ist es wahr«, wiederholte er und gab sich den Anschein kindlichen Erstaunens, »ist es wahr, daß Sie ihnen die Straße fix und fertig mit sämtlichen Abflußkanälen, Bürgersteigen und Laternen übergeben wollen und daß die Randgrundstücke genügen, um Sie zu entschädigen? Das ist seltsam, sehr seltsam!«
Endlich kam er zu dem heiklen Punkt. Er hatte erfahren, daß die Immobilienbank im geheimen die Häuser um das »Paradies der Damen« aufkaufte, nicht nur die, welche der Spitzhacke zum Opfer fallen sollten, sondern auch die übrigen, die stehenbleiben würden. Er witterte hinter diesem Vorgehen irgendein künftiges Projekt und geriet in Sorge um seine eigenen Vergrößerungspläne; er fürchtete, eines Tages auf eine mächtige Gesellschaft zu stoßen, die die Grundstücke sicherlich nicht mehr aus der Hand geben würde. Diese Sorge war es vor allem, die ihn bewogen hatte, so rasch wie möglich eine Verbindung zu Baron Hartmann zu suchen, und zwar die liebenswürdige Verbindung über eine Frau, die galante Männer so fest aneinanderschließt. Er hätte den Baron in seinem Büro aufsuchen können, um das große Geschäft, das er ihm vorschlagen wollte, mit ihm zu besprechen. Aber bei Henriette fühlte er sich stärker, er wußte zu gut, wie sehr der gemeinsame Besitz einer Geliebten zwei Männer einander nahebringt und füreinander einnimmt. »Haben Sie nicht das einstige Haus Duvillard, diesen alten Bau, der an mein Geschäft anstößt, gekauft?« fragte er plötzlich. Baron Hartmann zögerte einen Augenblick, dann verneinte er. Allein Mouret sah ihm gerade ins Gesicht und begann zu lachen; von da ab spielte er mit offenen Karten wie ein junger Mann, der einem Erfahreneren sein Vertrauen schenkt.
»Herr Baron«, sagte er, »da ich schon die unverhoffte Ehre habe, Ihnen zu begegnen, möchte ich Ihnen reinen Wein einschenken … Ich will Ihnen Ihre Geheimnisse nicht entlocken, aber ich will Ihnen die meinen anvertrauen, weil ich überzeugt bin, daß ich sie nicht in bessere Hände legen kann. Überdies brauche ich Ihren Rat, ich wollte Sie schon lange darum bitten.« Er öffnete ihm in der Tat sein Innerstes, erzählte ihm, wie er angefangen hatte, verheimlichte auch nicht die finanziellen Schwierigkeiten, die ihm in seinem Triumph zu schaffen machten. Er erwähnte alles: wie er nach und nach Erweiterungen vorgenommen und seine Gewinne immer wieder im Geschäft angelegt hatte, wie seine Angestellten ihm
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