Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Titel: Das Parfum: die Geschichte eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Süskind
Vom Netzwerk:
Bursche so genau Bescheid wusste, sondern einfach wegen der Namensnennung dieses verhassten Parfums, an dessen Enträtselung er heute gescheitert war.
    «Wiekommst du auf die absurde Idee, ich würde ein fremdes Parfum benutzen, um…»
    «Sie riechen danach!» zischelte Grenouille. «Sie tragen es auf der Stirn, und in der rechten Rocktasche haben Sie ein Tuch, das ist getränkt davon. Es ist nicht gut, dieses «Amor und Psyche», es ist schlecht, es ist zu viel Bergamotte darin und zu viel Rosmarin und zu wenig Rosenöl.»
    «Aha», sagte Baldini, der von der Wendung des Gesprächs ins Exakte völlig überrascht war, «was noch?»
    «Orangenblüte, Limette, Nelke, Moschus, Jasmin, Weingeist und etwas, von dem ich den Namen nicht kenne, hier, sehen Sie, da! In dieser Flasche!» Und er deutete mit dem Finger ins Dunkle. Baldini hielt den Leuchter in die angegebene Richtung, sein Blick folgte dem Zeigefinger des Jungen und fiel auf eine Flasche im Regal, die mit einem graugelben Balsam gefällt war.
    «Storax?» fragte er.
    Grenouille nickte. «Ja. Das ist drin. Storax.» Und dann krümmte er sich wie von einem Krampf zusammengezogen und murmelte mindestens ein dutzendmal das Wort «Storax» vor sich hin:
    «Storaxstoraxstoraxstorax...»
    Baldini hielt die Kerze gegen das storaxkrächzende Häuflein Mensch und dachte: Entweder ist er besessen, oder er ist ein betrügerischer Gauner, oder er ist ein begnadetes Talent. Denn dass die angegebenen Stoffe in richtiger Zusammensetzung das Parfum «Amor und Psyche» ergeben konnten, war durchaus möglich; es war sogar wahrscheinlich. Rosenöl, Nelke und Storax - nach diesen drei Komponenten hatte er heute Nachmittag so verzweifelt gesucht; mit ihnen fügten sich die anderen Teile der Komposition - die auch er erkannt zu haben glaubte - wie Segmente zu einem hübschen runden Kuchen. Es war jetzt nur noch die Frage, in welchem exakten Verhältnis zueinander man sie fügen musste. Um das herauszufinden, würde er, Baldini, tagelang herumexperimentieren müssen, eine entsetzliche Arbeit, fast noch schlimmer als das bloße Identifizieren der Teile, denn nun galt es, zu messen und zu wägen und zu notieren und dabei doch höllisch aufzupassen, denn die kleinste Unaufmerksamkeit - ein Zittern mit der Pipette, ein Fehler beim Tropfenzählen - konnte alles verderben. Und jeder verpatzte Versuch war gräßlich teuer. Jede verdorbene Mischung kostete ein kleines Vermögen... Er wollte den kleinen Menschen auf die Probe stellen, wollte ihn nach der exakten Formel von «Amor und Psyche» fragen. Wenn er sie wusste, auf Gramm und Tropfen genau - dann war er offenkundig ein Betrüger, der sich auf irgendeine Weise das Rezept von Pelissier ergaunert hatte, um sich bei Baldini Zutritt und Anstellung zu verschaffen. Erriet er sie aber ungefähr, dann war er ein Geruchsgenie und forderte als solches Baldinis professionelles Interesse heraus. Nicht dass Baldini seinen gefassten Entschluss, das Geschäft aufzugeben, in Frage stellte! Es kam ihm nicht auf das Parfum von Pelissier als solches an. Selbst wenn der Bursche es ihm literweise verschaffte, Baldini dachte nicht im Traum daran, die spanische Haut des Grafen Verhamont damit zu beduften, aber... Aber man war doch nicht sein Leben lang Parfumeur gewesen, hatte sich nicht ein Leben lang mit der Zusammensetzung von Düften beschäftigt, um von einer Stunde zur anderen seine ganze professionelle Leidenschaft zu verlieren! Es interessierte ihn jetzt, die Formel dieses verfluchten Parfums herauszubekommen, und mehr noch, das Talent dieses unheimlichen Jungen zu erforschen, der ihm einen Duft von der Stirne abgelesen hatte. Er wollte wissen, was da dahintersteckte. Er war ganz einfach neugierig.
    «Du hast, so scheint es, eine feine Nase, junger Mann», sagte er, nachdem Grenouille mit seinem Gekrächze aufgehört hatte, und trat zurück in die Werkstatt, um den Leuchter vorsichtig auf dem Arbeitstisch abzustellen, «eine zweifellos feine Nase, aber...»
    «Ich habe die beste Nase von Paris, Maitre Baldini», schnarrte Grenouille dazwischen. «Ich kenne alle Gerüche der Welt, alle, die in Paris sind, alle, nur kenne ich von manchen die Namen nicht, aber ich kann auch die Namen lernen, alle Gerüche, die Namen haben, das sind nicht viele, das sind nur einige Tausende, ich werde sie alle lernen, ich werde den Namen des Balsams nie vergessen, Storax, der Balsam heisst Storax heisst er, Storax...»
    «Schweig!» rief Baldini, «unterbrich mich nicht,

Weitere Kostenlose Bücher