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Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Titel: Das Parfum: die Geschichte eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Süskind
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juristische Laufbahn und das Parlament in Aix selbst in den Adel aufrückte. Solche Ambitionen konnte er jedoch als Mann seines Standes nur dann mit Aussicht auf Erfolg hegen, wenn er seine Person und seine Familie aufs engste mit der provenzalischen Nobilität verband.
    Was ihn überhaupt zu derartig hochfliegenden Plänen berechtigte, war sein sagenhafter Reichtum. Antoine Richis war der mit Abstand vermögendste Bürger weit und breit. Er besaß Latifundien nicht nur im Grasser Raum, wo er Orangen, Öl, Weizen und Hanf anbauen ließ, sondern auch bei Vence und gegen Antibes zu, wo er verpachtet hatte. Er besaß Häuser in Aix, Häuser auf dem Lande, Anteile an Schiffen, die nach Indien fuhren, ein ständiges Kontor in Genua und das größte Handelslager für Duftstoffe, Spezereien, Öle und Leder Frankreichs.
    Das Kostbarste jedoch, was Richis besaß, war seine Tochter. Sie war sein einziges Kind, gerade sechzehn Jahre alt, mit dunkelroten Haaren und grünen Augen. Sie hatte ein so entzückendes Gesicht, dass Besucher jeden Alters und Geschlechts augenblicks erstarrten und den Blick nicht mehr von ihr nehmen konnten, ihr Gesicht geradezu leckten mit den Augen, als leckten sie Eis mit der Zunge, und dabei den für solch leckende Beschäftigung typischen Ausdruck von dümmlicher Hingegebenheit annahmen. Selbst Richis, wenn er die eigne Tochter ansah, ertappte sich dabei, dass er für unbestimmte Zeit, für eine Viertelstunde, für eine halbe Stunde vielleicht, die Welt und damit seine Geschäfte vergaß - was ihm sonst nicht einmal im Schlaf passierte -, sich vollkommen auflöste in des herrlichen Mädchens Betrachtung und hinterher nicht mehr zu sagen wusste, was er eigentlich getan hatte. Und neuerdings - er nahm es mit Unbehagen wahr -, abends beim Zubettbringen oder manchmal morgens, wenn er ging, um sie zu wecken, und sie lag noch schlafend, wie von Gotteshänden hingelegt, und durch den Schleier ihres Nachtgewands drückten sich die Formen ihrer Hüften und ihrer Brüste ab, und aus dem Geviert von Busen, Achselschwung, Ellenbogen und glattem Unterarm, in das sie ihr Gesicht gelegt hatte, stieg ihr ausgestoßner Atem ruhig und heiß... - da ballte es sich ihm elend im Magen, und die Kehle wurde ihm eng, und er schluckte, und, weiß Gott! er verfluchte sich, dass er der Vater dieser Frau war und nicht ein Fremder, nicht irgendein Mann, vor dem sie so läge wie jetzt vor ihm, und der sich ohne Bedenken an sie, auf sie, in sie legen könnte mit all seiner Begehrlichkeit. Und der Schweiß brach ihm aus, und seine Glieder zitterten, indes er diese grauenvolle Lust in sich erwürgte und sich hinabbeugte zu ihr, um sie mit keuschem väterlichem Kuss zu wecken.
    Im vergangenen Jahr, zur Zeit der Morde, waren solch fatale Anfechtungen noch nicht über ihn gekommen. Der Zauber, den seine Tochter damals auf ihn ausgeübt hatte, war - so wollte ihm wenigstens scheinen - noch ein kindlicher Zauber gewesen. Und deshalb hatte er auch nie ernstlich befürchtet, dass Laure Opfer jenes Mörders werden könnte, der, wie man wusste, weder Kinder noch Frauen, sondern ausschließlich erwachsene jungfräuliche Mädchen anfiel. Zwar hatte er die Bewachung seines Hauses verstärkt, die Fenster des Obergeschosses mit neuen Gittern versehen lassen und die Zofe angewiesen, ihre Schlafkammer mit Laure zu teilen. Aber es widerstrebte ihm, sie wegzuschicken, wie es seine Standesgenossen mit ihren Töchtern, ja sogar mit ihren ganzen Familien taten. Er fand dieses Verhalten verächtlich und unwürdig eines Mitglieds des Rates und Zweiten Konsuln, der, wie er meinte, seinen Mitbürgern ein Vorbild an Gelassenheit, Mut und Unbeugsamkeit sein sollte. Außerdem war er ein Mann, der sich seine Entschlüsse nicht von anderen vorschreiben ließ, nicht von einer in Panik geratenen Menge und schon gar nicht von einem einzelnen anonymen Lump von Verbrecher. Und so war er während der ganzen schrecklichen Zeit einer der wenigen in der Stadt gewesen, die gegen das Fieber der Angst gefeit waren und einen kühlen Kopf behielten. Doch dies, sonderbarerweise, änderte sich nun. Während nämlich die Menschen draußen, als hätten sie den Mörder schon gehenkt, das Ende seines Treibens feierten und die unselige Zeit bald ganz vergaßen, kehrte in das Herz Antoine Richis' die Angst ein wie ein hässliches Gift. Lange Zeit wollte er sich's nicht zugeben, dass es die Angst war, die ihn bewog, längst fällige Reisen hinauszuzögern, ungern das Haus zu

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