Das Parsifal-Mosaik
Gerechtigkeit ihm die Begnadigung verschaffen würde. »Das Volk, Mr. Cross. Das Volk erkennt einen Giganten. Sie werden ihm nicht den Rücken kehren, bloß weil ein schmieriger Politiker und seine Berater mit ihren weichen Knien das verlangen. Die Nation wird es nicht zulassen! Die Welt klagt darüber, daß es in den letzten drei Jahrzehnten keine wirklichen Staatsmänner gegeben hat. Nun, wir haben einen großen Führer hervorgebracht, und die Welt weiß es. Und mein Rat an Sie ist, Anthony Matthias ans Telefon zu holen. Sie brauchen nichts zu sagen, ich werde selbst mit ihm reden.«
Havelock stand regungslos da, und in seiner Stimme schwang jetzt mehr als Unsicherheit mit. »Sie glauben, es könnte zu einer Konfrontation kommen? Der Präsident wegen Amtsmißbrauchs angeklagt werden?«
»Sehen Sie sich doch Matthias an. Können Sie dann noch zweifeln? Wo hat es schon in den letzten dreißig Jahren einen Mann wie ihn gegeben?«
Michael ging langsam zum Schreibtisch zurück. Er ließ sich in den Stuhl sinken. »Setzen Sie sich, Commander.«
Decker ließ sich auf dem Sessel nieder. »Es sind hier ein paar unfreundliche Worte gefallen, ich meinerseits möchte mich dafür entschuldigen. Aber Sie müssen begreifen, daß wir recht haben.«
»Ich brauche mehr als das«, sagte Havelock. »Wir wissen, daß Sie Kopien von detaillierten Strategieplänen angefertigt haben, die der Nukleare Krisenausschuß entwickelt hat, Dokumente, die jede Einzelheit unserer eigenen Arsenale enthalten, ebenso unsere geheimdienstlichen Erkenntnisse über die Sowjets und die Chinesen. Sie haben diese im Laufe einiger Monate Matthias übergeben, aber wir haben nie verstanden, weshalb.«
»Aus dem denkbar einleuchtendsten Grund: weil unsere ganze Militärstrategie darauf basiert, auf Krisen zu reagieren, statt selber zu agieren! Aber wir dürfen unseren Feind nicht in dem Glauben lassen, wir würden nur reagieren. Er muß wissen, daß wir eine offensive Taktik verfolgen, die seine totale Vernichtung garantiert, falls er zu weit gehen sollte. Es wäre fatal, wenn wir uns auf eine rein defensive Strategie beschränken würden, Mr. Cross. Anthony Matthias begreift das, die anderen haben Angst, der Realität ins Auge zu sehen.«
»Und Sie haben ihm dabei geholfen, diesen Plan zu entwickeln?« »Ich bin stolz darauf, sagen zu können, daß ich meinen Beitrag geleistet habe«, antwortete der Offizier. Seine Worte überschlugen sich beinahe. »Stunde um Stunde haben wir zusammengesessen und jede vorstellbare sowjetische und chinesische Reaktion berücksichtigt.«
»Wann trafen Sie sich?«
»Jeden Sonntag, und das über Wochen.« Deckers Stimme wurde leiser, zu seinem Eifer und seiner Verzweiflung kam jetzt die Vertraulichkeit. »Er hat mir klargemacht, wie geheim unsere Beziehung sein müßte; und deshalb fuhr ich immer in einem Mietwagen zu seiner Hütte in Westvirginia, wo wir uns ganz allein trafen.«
»Im Holzschuppen«, sagte Michael unwillkürlich. »Sie kennen es also.«
»Ich bin schon dort gewesen.« Havelock schloß kurz die Augen; er kannte den >Holzschuppen< nur zu gut. Dorthin zog sich Anton immer dann zurück, wenn er an den Memoiren arbeitete, wie er es nannte ... um seine Gedanken auf Band zu sprechen. »Gibt es noch etwas, Commander? Was Sie da schildern, ist sehr eindrucksvoll. Ich höre Ihnen aufmerksam zu.«
»Er ist ein wahrhaft brillanter Mann«, fuhr Decker in schwärmerischem Ton fort. »Die Tiefe seiner Erkenntnisse, sein Blick für die Realität sind wirklich bemerkenswert. Ein Staatsmann wie Anthony Matthias kann diese Nation in glorreiche Zeiten führen, damit wir den Platz in der Welt einnehmen, den Gott uns bestimmt hat. Ja, ich bekenne mich zu dem, was ich getan habe, und ich würde es wieder tun, weil ich ein Patriot bin. Ich liebe dieses Land ebenso, wie ich die Heilige Schrift liebe, und ich würde mein Leben für mein Vaterland opfern, im Wissen, daß ich meine Ehre behalten würde .. Es gibt wirklich keine andere Wahl, Mr. Cross. Wir haben recht. Greifen Sie zum Telefonhörer und rufen Sie Matthias an. Sagen Sie ihm, daß ich hier bin. Dann werde ich ihm die Wahrheit sagen. Erbärmliche Männer, die Götzenbilder verehren, sind aus ihren Löchern gekrochen und versuchen, ihn zu vernichten. Er wird sie zerstampfen ... mit unserer Hilfe.« Michael lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er war müde wie noch nie zuvor. Die Sinnlosigkeit war vollkommen. »Mit unserer Hilfe«, wiederholte er. »Ja,
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