Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
Vom Netzwerk:
Gebete, die ich in - und auswendig kannte, waren mir entfallen, waren so s i cher ausgelöscht, wie man mühsam gelernte und au f geschriebene Wörter mit einem feuchten Lappen von einer Schiefertafel wischen kann. Nach so vielen nicht erhörten Gebeten hatte ich das Beten selbst ve r lernt.
    »Ja«, sagte Elizabeth Bradford schließlich, »ja, das könnte die beste Lösung sein.«
    Ich wickelte das Kind warm ein. Dann setzten wir uns an Maggie Cantwells geliebten alten Küche n tisch und feilschten um die Details, was nicht allzu lange dauerte, da ich in meinen Forderungen nicht nachgab, und Elizabeth Bradford mich unbedingt rasch loswerden wollte. Als wir uns über die Bedi n gungen einig waren, stieg ich die Treppe zum Schlafgemach ihrer Mutter hinauf. Sie hatte eine überraschend gute Gesichtsfarbe. Sie hatte die Brühe getrunken und ein Stück eingeweichtes Brot h inu n tergewürgt und lag nun mit geschlossenen Augen da. Ich dachte, sie wäre eingeschlafen. Aber wie ich so dastand, schlug sie die Augen auf. Beim Anblick des Kindes lächelte sie. Tränen schimmerten in ihren blutunterlaufenen Augen. »Sie lebt ja noch!«, rief sie bebend mit erschöpfter Stimme.
    »Das tut sie und soll es auch weiterhin.« Nun b e richtete ich ihr, was ich mit Elizabeth vereinbart ha t te. Mühsam richtete sie sich aus ihren Kissen auf und klammerte sich mit matten Fingern an meinen Unte r arm. Ich dachte schon, sie wollte protestieren, aber stattdessen küsste sie meine Hand. »Oh, danke! Da n ke! Gott segne dich!« Doch dann weiteten sich ihre Augen, ihr Flüstern wurde eindringlich. »Du musst fort, rasch, noch heute, ehe mein Sohn oder sein V a ter erfahren, dass das Kind lebt.«
    Damit deutete sie auf eine Truhe am Fußende ihres Bettes. Drinnen schimmerten in einer Geheimschu b lade auf dunklem Samt ein Smaragdring und ein pa s sendes Halsband. »Nimm sie. Wenn du in Not bist, gebrauche sie, für sie, oder gib sie ihr, wenn sie e r wachsen ist. Sag ihr, dass ihre Mutter sie geliebt hä t te, wenn man es ihr erlaubt hätte …«
    Über dieser ganzen Anstrengung war sie blass g e worden. Eines stand fest: Solange ich mit dem Kind hier war, würde sie sich aufregen. Deshalb knotete ich rasch aus einem ihrer schönen Wollschals ein warmes Tragetuch und kuschelte das Neugeborene hinein, ganz dicht an meinen Körper. Dann kniete ich mich neben ihr Bett, ergriff ihre weiße Hand und le g te sie auf den seidigen Kinderkopf. »Sie wird stets liebevoll umsorgt sein, seien Sie dessen versichert.«
    Ich schritt die Treppe hinab und ging nach dra u ßen, wo Elizabeth Bradford mit dem Pferd wartete. Zu dritt ritten wir zu meiner Kate. Dabei wurde aus dem leisen Kinderglucksen ein Wimmern. Kaum w a ren wir dort angelangt, übergab ich Elizabeth ein Fläschchen mit Nesseltrank nebst genauen Anwe i sungen, welche Dosierung für ihre Mutter am besten sei. Im Gegenzug bekam ich von ihr eine Geldbörse mit mehr Goldstücken, als ich mir je hätte träumen lassen.
     
    Vorwurfsvoll beäugte mich die Kuh, als ich mit me i nem Eimer ihren Stall betrat. »Tut mir Leid, dass ich dich warten ließ«, sagte ich, »aber heute habe ich gute Verwendung für deine Milch.« Zurück in der Kate entrahmte ich die fette Kuhmilch in Erinnerung an meine eigene wässrigblaue Muttermilch und ve r dünnte den Rest mit ein wenig Wasser. Ich legte das Kind in meine Armbeuge. Inzwischen schrie es klä g lich mit weit aufgerissenem Mund, wie es alle Ne u geborenen tun. Ich streichelte seine weiche Wange, bis es sich zu meinem Finger drehte. Das Trinken ging nur schwierig und langsam vonstatten. Tro p fenweise flößte ich ihr so lange Flüssigkeit ein, wie sie sie annahm. Sie hörte zu weinen auf und wurde bald schläfrig. Ich legte sie auf ein Büschel Stroh n e ben dem Herd und machte mich daran, die paar Ha b seligkeiten zu sammeln, die ich mitnehmen wollte. Es war ja nur noch so wenig übrig. Das kleine Wi n terwams, das ich für Jamie gemacht und vor dem großen Feuer bewahrt hatte; eines von Elinors Med i zinbüchern, über dem wir in langen Stunden gemei n sam gebrütet hatten, bis uns die Augen wehtaten. Diese beiden Stücke nahm ich zur Erinnerung mit, dazu noch einige Fläschchen mit nützlichen Kräute r essenzen gegen Fieber und Durchfall bei Kindern. Schmerzhaft fiel mir wieder jener Morgen in Elinors Garten ein, an dem sie versucht hatte, mir den Nu t zen von Gänseblümchen beizubringen, und ich ei n fach nicht hatte hinhören wollen. Wie bald schon

Weitere Kostenlose Bücher