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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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gebrochen und Sodom verwüstet und Hiob mit Qualen überschüttet hat. Auf ihre Bitte hin bin ich hierher gekommen, obwohl ich bezweifle, dass es ihr viel nützen wird. Seit gestern liegt sie in den Wehen, seit dem späten Abend, einen ganzen Monat vor der Zeit, und der Chirurg gibt sie auf. Er meint, wenn eine Frau ihres Alters schwanger wird, sei das ein Spiel mit dem Tod, der ganz gewiss noch heute zu ihr kommen wird, da sie nie und ni m mer gebären kann. Und kaum hatte er diese grausige Prognose verkündet, saß er auch schon auf seinem Pferd, Richtung Heimat.«
    Jetzt sank sie auf die Bank, ihre Stimme wurde zum Flüstern eines Kindes. »Das Blut, Anna. Noch nie habe ich so viel Blut gesehen.« Einen langen A u genblick vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Dann sah ich, wie sich ihr Rücken straffte. »Na schön«, meinte sie und nahm sich wie tags zuvor in der Pfarrküche zusammen, »ich habe getan, worum sie gebettelt hat. Ich habe für sie gebetet, in dieser ach so heiligen, ach so geweihten Kirche, die ihr alle geadelt habt, ihr geliebten Kinder Gottes. Und jetzt muss ich zurück und mir wieder ihre Schreie anh ö ren.«
    »Ich werde mit Ihnen kommen«, sagte ich. Ich ha t te so viel Tod gesehen, dass es mir jeden Versuch wert war, ein Leben zu retten. »Ich habe ein wenig Erfahrung mit Geburten. Vielleicht kann ich ihr he l fen.«
    Eine Sekunde flackerte etwas in ihrem Gesicht auf, ein winziger Hoffnungsschimmer, aber dann fiel ihr wieder ein, wer ich war und wer sie war. Erneut erstarrte ihr Gesicht wie gewohnt zu einem höhnisch-stolzen Lächeln. Sie schnaubte kurz und lächelte h e rablassend. »Also weiß die Hausmagd mehr als der Londoner Chirurg? Ich denke nicht. Aber wenn du willst, komm. Sterben wird sie sowieso. Und vie l leicht befriedigt es dich ja, Mompellion zu berichten, wie gründlich Gott seine Prophezeiungen über meine Familie erfüllt hat.«
    Ich folgte Elizabeth Bradford und versuchte dabei, den Ärger zu unterdrücken, der in mir aufstieg. An der Kirchentüre hielt ich inne und sah mich suchend nach dem Pfarrer um. Da von ihm nichts zu sehen war, folgte ich Miss Bradford zu der Stelle, wo ihre Stute angebunden stand, und saß hinter ihr auf. Schweigend ritten wir den Hügel zum Herrenhaus hinauf.
    Das Gebäude bot einen trostlosen Anblick. Mannshohe Disteln hatten sich durch die Steine in der Auffahrt geschoben. Links und rechts davon ha t ten sich die sorgfältig gestutzten Ziersträucher wi e der in kümmerliche Büsche verwandelt. Unkraut ha t te die einst wohl geordneten Blumenbeete überw u chert. Miss Bradford stieg ab und reichte mir die Z ü gel, da sie stillschweigend annahm, ich würde die Stute für sie in den Stall bringen. Wortlos gab ich sie ihr wieder und ging auf die Haupttüre des Herre n hauses zu. Sie stieß einen Laut aus, halb z ischend, halb seufzend, und führte die Stute zu den Stallu n gen. Selbst draußen vor dem mächtigen Portal konnte ich die Schreie aus dem Inneren des Herrenhauses hören. Als Miss Bradford wiederkam, traten wir ein. Vorbei an den massigen Umrissen verhüllter Möbe l stücke stiegen wir die Treppe zum Schlafgemach i h rer Mutter empor.
    Mit dem Blut hatte sie nicht übertrieben. Sogar der Boden war davon glitschig. Überall lagen tropfnasse Leinenbündel und Tücher herum. Das junge Mä d chen, das sich um Mistress Bradford kümmerte, war mir fremd. Mit Augen, so groß wie Suppentassen, packte sie ein frisches Handtuch, um den unaufhörl i chen Blutstrom zu stillen. Rasch gab ich knappe Anweisungen für alles, was ich brauchte: »Bring mir alles, was an Brühe oder Sülze da ist, dazu etwas g u ten Wein und ein bisschen warmen Toast zum Ei n tunken. Wenn sie einen derartigen Blutverlust übe r leben soll, braucht sie dringend etwas Kräftiges. Bring mir außerdem einen Kessel kochend heißes Wasser, ein Waschbecken und jede Art Fett.« Das Mädchen stürzte aus dem Zimmer, als könnte sie nicht schnell genug wegkommen.
    Mistress Bradford protestierte in keiner Weise, als ich mich ihr näherte. Vielleicht war sie inzwischen zu schwach, vielleicht war ihr aber auch in ihrer Not der kleinste Hoffnungsschimmer willkommen. Bei unserem Eintreten hatte sie zu schreien aufgehört. Vermutlich hatte sie nicht so sehr vor Schmerzen g e schrien, sondern aus Angst, weil sie schon so lange in ihrem eigenen Blut lag. Matt streckte sie die Hand nach ihrer Tochter aus. Elizabeth lief zu ihr und küsste sie zärtlich. Offensichtlich wollte sie ihre

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