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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zin meister Deana
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Regal, wo der Schnapskrug und die kleinen Becher standen.
    Sogleich sprangen die drei Burschen auf und liefen nach draußen. Auch die kleine Sabine rutschte von ihrem Stuhl und eilte den Brüdern hinterher. Agnes schien aus ihrer Erstarrung zu erwachen und schaute erschrocken hoch.
    »Gib mir Hanna, damit ich sie wickeln kann«, sagte Susanna und streckte die Hände nach dem Kleinkind aus.
    »Du kümmerst dich um das Federvieh«, zischte der Oheim und schlug ihr mit dem Löffel rüde auf den ausgestreckten Arm.
    »Au«, schrie Susanna auf und hielt sich den Unterarm. Mit vor Wut funkelnden Augen wandte sie sich dem Onkel zu, der sie hämisch ansah.
    »Wenn es dir hier nicht gefällt, kannst du ja gehen!«, schnaubte er und rülpste erneut.
    Susanna wollte ihn zurechtweisen, doch aus dem Augenwinkel sah sie, wie ihre Tante sie entsetzt anblickte und zaghaft den Kopf schüttelte. Das Mädchen holte tief Luft, verbiss sich die Antwort und ging hinaus in den Hühnerstall. Dort verrichtete sie wütend ihre Arbeit und kam erst wieder ins Haus, als sie gewiss sein konnte, dass alle schliefen. Müde und traurig legte sie sich auf ihr Lager. Wie bei ihrem ersten Besuch auf dem Hof schlief sie auf einer dünnen Matte in der Küche. Es machte ihr nichts aus, neben dem Herd auf dem Boden zu schlafen, wusste sie doch, wie stickig es auf dem Dachboden war, wo die Familie ihr Nachtlager hatte. Sie war kaum eingenickt, als laute Worte sie weckten.
    »Du Miststück«, hörte sie den Oheim fluchen. »Mach die Beine breit.« Als Susanna das unterdrückte Schluchzen ihrer Tante hörte, spürte sie erneut Zorn in sich aufsteigen. Sie wusste jedoch, dass sie sich ruhig verhalten musste. Ihr blieb keine andere Wahl, denn das waren die einzigen Angehörigen, die sie noch hatte. Zähneknirschend zog sich Susanna die Decke über die Ohren.
    Seit dem Mord an ihrer Familie quälten Susanna schreckliche Träume, sodass sie unruhig schlief. Jede Nacht aufs Neue verfolgten sie die Bilder ihrer erschlagenen Geschwister, der ermordeten Mutter und des zu Tode gefolterten Vaters, aber auch die Erinnerung an die gehängte Magd und den verbrannten Knecht verursachte ihr Alpträume. Immer wieder schreckte sie schweißnass hoch, saß zitternd da und wartete, bis sich ihr rasendes Herz beruhigte. Anschließend war kaum noch an Schlaf zu denken. Susanna war erleichtert, wenn die Nacht dem Tag wich, denn dann konnte sie dem Schrecken der Träume entfliehen. Allerdings kam er wieder, sobald sie sich schlafen legte.
    Deshalb war Susanna jeden Abend die Letzte, die sich zur Ruhe begab, und die Erste, die aufstand. In aller Herrgottsfrühe entzündete sie bereits das Feuer im Herd und bereitete das Frühmahl vor, das meist aus fadem Gerstenbrei bestand. Susanna nutzte die Zeit, bevor die Familie aufstand, um in Ruhe nachdenken zu können.
    Doch als sie eines Morgens erwachte, spürte sie einen Stich im Rücken, sodass sie sich unter Schmerzen vom Lager erhob. Sie konnte nur mit Mühe einen Sud aus getrockneter Minze aufbrühen, von dem sie sich Linderung erhoffte. Nachdem das Heilkraut eine Weile im heißen Wasser gezogen hatte, goss sie das Getränk über ein Stück Leinen, sodass die Krümel im Tuch hängen blieben. Leise stöhnend setzte sich Susanna an den Tisch und trank den dampfenden Sud in kleinen Schlucken. Sie spürte zwar, wie ihr die Minze Erleichterung verschaffte, trotzdem kämpfte sie mit den Tränen, denn in Augenblicken wie diesen vermisste sie ihre Mutter schmerzlich. Sie hätte tröstende Worte gewusst, und ihre liebevolle Fürsorge hätte Susanna sicherlich beruhigt. »Ach, Mutter!«, seufzte das Mädchen und wischte sich die Tränen von der Wange.
    An diesem Morgen wurde ihr bewusst, dass sie seit ihrer Ankunft vor einer Woche mit der Tante kein Wort über ihre Mutter gesprochen hatte. Nicht eine Frage hatte Agnes der Nichte über den Tod der Schwester gestellt. Sie tat, als ob nichts geschehen sei, doch die Schatten um ihre Augen verrieten ihren Schmerz.
    Susanna hatte auch das Gefühl, dass sie ihr absichtlich aus dem Weg ging. Vielleicht sollte ich … , dachte sie, als sie über sich Fußgetrampel hörte. Mit gequältem Gesichtsausdruck erhob sie sich und kochte Gerstenbrei auf.
    Susannas Rücken schmerzte unaufhörlich, sodass sie kaum fähig war, ihre Arbeit zu verrichten. Zusätzlich plagte sie seit dem Morgen heftiger Kopfschmerz, von dem ihr übel wurde, und sie musste sich übergeben. Prüfend hielt sie sich die Hand an die Stirn,

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