Das Pestzeichen
Soldaten kannte, begann er mit Gegenständen für die Schatzsuche zu handeln, die nach dem langen Krieg weit verbreitet war, da viele Menschen aus Angst vor Plünderungen wertvollen Besitz vergraben hatten. Jeremias selbst traute sich nicht, Schatzgräber zu werden, denn er hatte gehört, dass die Kirche die Magie ablehnte, die man benötigte, um einen Schatz zu finden und zu heben. Und mit der Kirche wollte er es sich nicht verscherzen.
Doch die Geschäfte liefen schlecht, sodass Jeremias der Kirche in Sankt Johann kein Geld mehr spenden konnte. Der Pastor weigerte sich daraufhin, weiter für ihn Messen zu lesen. Jeremias fürchtete nun die Strafe Gottes und suchte einen Ausweg.
Die Lösung seines Problems lieferte Eckart Schiffer, den er in einem Gasthaus kennengelernt hatte. Schiffer klagte ihm in weinseliger Laune sein Leid mit dem Salzhandel und vertraute ihm an, dass er dringend Geld benötigte. Jeremias musste nicht lange überlegen. Er erzählte Schiffer von der Schatzsuche und beschrieb in blumenreicher Sprache den Reichtum, der in der Erde vergraben lag.
Jeremias blickte gedankenverloren auf die Menschen, die an ihm vorbeizogen, Rosenkränze durch die Finger gleiten ließen und laut beteten: »Vor Pest, Hunger und Krieg – erlöse uns, o Herr.«
Warum, grübelte Jeremias, hatte er den Bauern, der die seltenen magischen Schriften besaß, falsch eingeschätzt? Er war überzeugt gewesen, dass der Bauer die Gegenstände freiwillig herausrücken würde und nicht mit einer schmerzhaften Tortur mit den Ziegen gefoltert werden musste. Doch vergeblich. »Das Geheimnis, wo er das Büchlein verborgen hat, das hat dieser Schweinehund mit ins Grab genommen«, grummelte Jeremias und blickte durch die Menschen, die betend an ihm vorüberzogen, hindurch, als wären sie gar nicht da.
Wir waren so dicht davor, unsere Geldsorgen loszuwerden , dachte er. Der Plan war nicht aufgegangen, weil der Überfall auf den Arnoldschen Hof misslang. »Was musste dieser dämliche Markus nicht nur die Bauersfamilie ermorden, sondern auch noch den Hof in Brand setzen«, schimpfte Jeremias zornig, während er auf sein Pferd stieg. »Vielleicht habe ich Glück, und die Schriften liegen noch unversehrt in ihrem Versteck«, überlegte er und lenkte sein Pferd in Richtung Heusweiler. »Wo würdest du solch kostbare Schriftstücke verbergen?«, befragte er sich selbst, während sein Pferd langsam lostrottete.
Ich muss die Tochter des Bauern finden , beschloss er. Sie kennt das Versteck. Nur deshalb hatte der Bauer trotz Folter geschwiegen.
»Natürlich!«, rief Jeremias laut, weil er glaubte, die Lösung gefunden zu haben. Der Bauer wollte, dass sein Töchterlein den Schatz hob. »Sie wird wieder auf dem Hof auftauchen. Ich muss nur geduldig sein«, griente er gehässig.
Dann trat er seinem Pferd kräftig in die Flanken.
Kapitel 12
Susanna schielte vorsichtig zu ihrem Oheim, der schmatzend die dünne Suppe löffelte. Sein Gesichtsausdruck war verkniffen, und er schien mit seinen Gedanken abwesend zu sein, da er niemanden am Tisch beachtete. Die Söhne spürten seine schlechte Laune und verhielten sich ruhig. Schweigend tunkten sie ihre Brotstücke in den Kohlsud. Auch ihre zweijährige Schwester, die meist unentwegt plapperte, sagte keinen Ton und nuckelte am Daumen.
Langsam blickte Susanna zu ihrer Muhme, die die kleine Hanna auf ihrem Schoß wiegte. Dank der nahrhaften Ziegenmilch lag das Kleinkind mit rosigen Wangen und zufrieden in den Armen der Mutter.
Agnes hatte ihr Essen nicht angerührt. Die Nachricht vom plötzlichen Tod ihrer Schwester hatte sie sichtlich mitgenommen. Mit rotgeweinten Augen starrte sie auf die Tischplatte und schien ihre Umgebung kaum wahrzunehmen. Es hätte Susanna gutgetan, mit der Tante über das schreckliche Verbrechen an ihrer Familie zu sprechen, doch die Muhme wich ihrem Blick aus. Vielleicht ist das besser für sie , dachte Susanna. Je weniger sie weiß, desto weniger quält es sie.
Für Susanna wäre es erleichternd gewesen, ihr Leid mit der Tante teilen zu können, so aber war sie allein mit ihrem Schmerz, der nicht verblassen wollte. Als sie spürte, dass jemand sie ansah, schaute sie hoch und blickte in die Augen ihres zwölfjährigen Vetters Arthur. Zaghaft verzog sie ihren Mund zu einem angedeuteten Lächeln, woraufhin der Junge ihr verschwörerisch zuzwinkerte.
Als der Oheim laut rülpste, zuckte jeder am Tisch zusammen. »Macht, dass ihr an die Arbeit kommt!«, blaffte Albert und ging zum
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