Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
Pete ungeduldig. „Bis du etwa durch meine Schädeldecke bist?"
„Keine Lust, mir die Kehle durchschneiden zu lassen!" erwiderte Sam zögernd. Dann aber hatte er sich gefaßt; im gleichen Augenblick saß er auf dem Mauerrand. Eine Minute später lag er oben auf der Mauerkrone und streckte die Hände nach unten. Pete benutzte sie nur für eine Sekunde, hing wenig später mit den Fingern am Mauerrand, zog seinen Körper nach und legte sich aufatmend neben seinen Freund. Nun spähten beide in das undurchdringliche Dickicht des Parkes.
Gleich darauf erklang es entsetzt zum viertenmal: „Hilfe! Mord!"
„Da murkst bestimmt jemand seinen liebsten Feind in Raten ab!" stellte Pete verwundert fest. „Wenn er sein Opfer noch lange schreien läßt, hat er bald ganz Somerset auf dem Hals!"
Sie sprangen von der Mauer und standen gleich darauf im Garten. Angestrengt lauschten sie, hörten jedoch nichts mehr. Unschlüssig setzten sie sich in Bewegung. Sam stolperte vor Aufregung über jede Wurzel; und deren gab es an die tausend hier. Er schwitzte wie ein Baumwollpflücker, und das nicht nur wegen der Hitze! Pete lief einige Schritte vor ihm her. Deshalb bekam er das, worum es ging, auch früher zu sehen als das Rothaar. Erstarrt blieb er stehen.
Er hielt am Rande einer ungepflegten Wiese, die von Bäumen und Strauchwerk umgeben war. Auf dem Rasen war eine Bühne aufgebaut; davor saß eine Gesellschaft aufgeputzter Damen und Herren. Ein paar Menschen kämpften in wildem Eifer auf den Brettern. Sie trugen silber- und goldglänzende Rüstungen und Helme mit riesigen Federbüschen. Ihre Schwerter vollführten einen Höllenlärm, während sie aufeinander losdroschen; man hatte den Eindruck, als wollten Sie sich gegenseitig zu Hackbraten allerfeinster Qualität verarbeiten. Das „Hilfe! Mord!"-Geschrei aber gehörte nicht zum Theaterstück. Sein Urheber war ein alter Papagei, dessen Federn aussahen, als seien die Motten hineingekommen. Das Vieh saß auf einer Stange hinter den Zuschauern und schrie wie besessen, wahrscheinlich um seiner Begeisterung über das herrliche Theaterstück Ausdruck zu verleihen.
„Haben uns schön hereinlegen lassen!" stellte Pete enttäuscht fest, als die Sommersprosse neben ihm stand. „Machen uns unberechtigt in fremder Leute Gärten mausig, und Mammy Linda, die wir draußen an der Mauer treffen sollen, kann jeden Augenblick kommen! Wenn sie sich die Kulleraugen vergeblich nach uns ausguckt, gibt's noch vor Dunkelwerden Feierabend!"
„Komisches Theater!" staunte Sam. „Die Spieler bewegen sich, als ob sie Puppen wären! Aber so große Puppen habe ich noch nie gesehen."
»Hm", machte Pete, weil er sonst nichts dazu zu sagen wußte. Es waren tatsächlich Puppen. Pete stieß Sam in die Seite; es empfahl sich, einen strategischen Rückgang anzutreten, ehe sie entdeckt wurden.
„Hände hoch!" erklang es in diesem Augenblick verdächtig nahe.
Sam sprang einen Schritt zurück, um gleich darauf unterdrückt zu fluchen. Er war mit der Rückfront in einen Kaktusstrauch geraten, das die häßlichsten Stacheln besaß, mit denen er je Bekanntschaft gemacht hatte. „Ich bin durchlöchert wie ein Sieb!" klagte er. „Fraglich, ob ich jemals wieder sitzen kann! Dicht werde ich auf keinen Fall mehr halten!"
„Maul zu!" verlangte Pete schroff. „Das war doch nur dieser blöde Papagei!"
„Ich hätte Lust, ihm den Hals umzudrehen!" knirschte Sam erbost. „Rupfen, braten — das wäre eine angemessene Rache! Das Biest hat uns schon genug zum besten gehalten."
„Du würdest dir die Zähne daran ausbeißen!" gab Pete zu bedenken. „Das Viech ist mindestens zweihundertfünfzig Jahre alt! Und jetzt nichts wie raus aus dieser verrückten Umgebung."
Sie zogen sich zurück, kamen aber nicht weit. Nach kaum fünfzehn Schritten packte Pete seinen Freund am Arm. „Still!" flüsterte er. „Da spricht jemand!"
„Vielleicht haben sie hier eine Papageienzucht", meinte Sam forsch, obwohl er sich keinesfalls behaglich fühlte.
Dann schwieg er, denn es war deutlich zu erkennen, daß nunmehr kein Papagei, sondern ein Mensch sprach.
Sie schlichen auf den Platz zu, von dem die Stimme herkam, und hielten schließlich hinter einem Baum. Nicht weit von ihnen standen zwei Männer, die nicht sehr vertrauenerweckend aussahen und auf keinen Fall ins Generalshaus gehörten. Besitzer dieses Geländes war ein uralter Herr mit schneeweißem Haar, der im ganzen Distrikt der „General" hieß, obwohl kein Mensch sagen
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