Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
endlich im Mittelpunkt der Erde angelangt, merkte er, daß es wieder hinaufging. Plötzlich schoß sein Kopf aus dem Wasser; gerade im richtigen Moment, denn er verspürte das dringende Bedürfnis, endlich wieder einmal zu atmen. Die Augen wagte er nicht aufzumachen. Nachdem er sich mit der notwendigen Luft versorgt hatte — etwas Wasser hatte er auch geschluckt, aber das merkte er jetzt noch nicht — fühlte er sich von Sam gepackt und festgehalten.
„Na also!" sagte das Rothaar anerkennend. „Von Bangbüx ist nichts an dir! Und nun paß auf! Ich mach' dir's vor!"
Sam hatte seine eigene Methode, jemandem das Schwimmen beizubringen. Sie war barbarisch, aber sehr
wirkungsvoll. Nachdem Johnny einen großen Teil des Red River leergetrunken hatte, gestattete er ihm, an Land zu gehen. Über die letzten zwei Meter half er ihm mit einem freundlichen Tritt hinweg. Johnny stolperte; dann ließ er sich stöhnend ins Gras fallen. Zuerst spuckte
er den Teil des Red River wieder aus, den er zu sich genommen hatte, dann keuchte er fünf Minuten lang wie eine Lokomotive, und zum Schluß sprang er mit einem
energischen Satz wieder auf die Beine. „Du meinst also, daß ich's nun kann?" fragte er aufgeregt. „Ich lauf gleich noch mal auf die Brücke!"
„Du kannst's noch nicht endgültig, aber springen darfst du trotzdem noch mal! Ich warte unten im Wasser auf dich. Diesmal mach's gefälligst ein bißchen eleganter! Beim erstenmal sah's aus, als hüpfe ein lahmer Frosch!"
Sie übten noch eine gute halbe Stunde, dann lagen sie zehn Minuten im Gras. Schließlich fand Pete, er habe genug nachgedacht. Er war übrigens mit all seinem Denken zu nichts Greifbarem gekommen. Es schien nicht so einfach, den Detektiv zu spielen. „Weiter!" ordnete er an. „Mammy Linda wird sich sicher schon darüber wundern, wo wir so lange bleiben!"
„Nur noch einmal!" bat Johnny. „Ich kann's jetzt tatsächlich schon beinahe so gut wie Sam!"
„Oho, du Gernegroß!" verwahrte sich das Rothaar.
Aber Johnny kletterte auf das Brückengeländer.
Eine „Königin" will absolut Johnnys Leben retten — auch der „Bund der Gerechten" findet Spuren — Zwei „edle Seelen" landen schließlich in einem Brunnen
In diesem Augenblick ratterte Mr. Dudleys Ford heran. Mrs. Dudley konnte es vor lauter Sehnsucht nicht erwarten zu sehen, wie es ihrem „Süßen" auf dieser furchtbaren Ranch erging! Eben wollte sie dem Chauffeur Anweisung geben, möglichst langsam und vorsichtig über die hölzerne Brücke zu fahren, denn man konnte bei diesen Brücken auf dem Lande nie wissen, wie baufällig sie waren, als sie eine kleine, nackte Gestalt, die ihr sonderbar bekannt vorkam, auf dem Gelände erstehen sah.
„Manuel!" rief sie dem Chauffeur zu und tippte ihm erregt auf die Schulter. „Das ist doch nicht etwa —?"
„Jeah, Mistress!" erwiderte der Chauffeur grinsend. „Das ist Johnny, der Süße!"
Mrs. Dudley stieß einen markerschütternden Schrei aus, als sie sah, wie ihr Junge die Arme in die Luft stieß, einen jauchzenden Ruf von sich gab und sprang — von der Brücke herunter in den Tod!
Über Mrs. Dudleys Schrei erschrak der Motor des Ford so sehr, daß er nur noch einmal aufstöhnte und dann schwieg. Mrs. Dudley sank in die Wagenpolster und kämpfte mit einer Ohnmacht. Dann aber trieb sie der Mut des verzweifelten Mutterherzens mit einer Geschwindigkeit, die sie bisher noch nie im Leben entwickelt hatte, aus dem Wagen und rannte auf die Brücke. „Johnny, mein Süßer!" schrie sie wie eine wildgewordene Schiffssirene. „Johnny, mein Lieb!" Und ehe der Chauffeur es verhindern konnte, sprang sie mit einem wilden Satz ihrem Sprößling nach — mitten in die kühlen Fluten des Red River!
Es schäumte, gischte und platschte, als sie unten ankam. Aber es platschte nicht von Mrs. Dudleys Gewicht allein. Pete sprang, als er sah, was sich tat, hinter der Konservenkönigin her. Nunmehr stürzten sich drei eifrige Jungen auf die erschreckte Frau. Diese fühlte sich sofort von drei Seiten festgehalten. „Hauruck!" schrie Sam begeistert. Unter seinen anfeuernden Rufen schleppten sie Mrs. Dudley ans Ufer. Dort stellten sie sie sanft auf die Beine.
Mrs. Dudley erfaßte immer noch nicht, was eigentlich geschehen war. Sie schien vollkommen verwirrt und wußte eigentlich nur, daß sie durch und durch naß war und daß Johnny, der Süße, heil und gesund vor ihr stand, vergnügt, munter, mit lachendem Gesicht. „Yeah, Mam!" erklärte der Knirps stolz.
Weitere Kostenlose Bücher