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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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Gutachter in den Zeugenstand, einen Dr. Smith. Er war älter als Dr. Geller, ein vogelartig dürrer Mann mit wachsamen Augen, dessen Auftritt die Zuhörer sofort erwartungsvoll stimmte.
    »Darf ich fragen«, sagte Alison, »ob Sie menschlich oder android sind, Doktor Smith?«
    »Dürfen Sie. Ich bin menschlich. Aber die meisten meiner Patienten sind androiden Ursprungs.«
    »Warum ist das so?«
    »Weil ich mich seit langem auf Androiden spezialisiert habe. Ich wollte herausfinden, ob es einen wesentlichen physiologischen Unterschied zwischen Androiden und Menschen gibt, und wenn ja, welchen.«
    »Und wie war das Ergebnis Ihrer Untersuchungen?«
    »Es gibt keinen Unterschied«, sagte Dr. Smith.
    »Aber ist es nicht so, daß Androiden im Unterschied zu Menschen ausnahmslos unfruchtbar sind?«
    »Nein«, sagte Dr. Smith. »Androiden können Kinder haben und haben Kinder gehabt. Ich kann ...«
    Der Rest ging im Aufruhr unter. Ausrufe, Proteste, Gelächter vermischten sich zu tobendem Stimmengewirr. Richter Collier läutete und brüllte vergebens zur Ordnung. Erregung, Zorn, Angst und ungläubige Verwirrung waren in den Stimmen. Wenn der Mann log, würde er dafür büßen. Leute, die mit einem faulen Schwindel hereingelegt worden sind, sind erbitterte und rachsüchtige Leute. Wenn er nicht log, mußte jedermann umdenken. Die alten religiösen Fragen würden wieder hochkommen. Es würde aufhören, eine Rolle zu spielen, ob eine Person geboren oder künstlich erzeugt wurde. Es würde keine Androiden mehr geben, nur noch Menschen. Und der Mensch würde Herr der Schöpfung sein.
     
    Nach kurzer Unterbrechung wurde die Verhandlung fortgesetzt. Richter Collier nahm wieder seinen Platz ein und nickte Alison zu.
    »Mrs. Liffcom«, sagte er, »fahren Sie mit Ihrer Befragung fort.«
    Alison wandte sich lächelnd zu Dr. Smith. »Sie sagten, daß Androiden Kinder haben können?«
    Diesmal blieb das Publikum still. »Ja. Wie sich denken läßt, ist dieser Punkt sehr umstritten. Das Beweismaterial, das ich zur Erhärtung meiner These anführen möchte, ist nicht neu, und es ist häufig diskreditiert worden. Die Reaktion, die es vorhin auf meine Erklärung gab, zeigt, warum. Es ist eine wichtige Frage, zu der sich jeder bereits eine Meinung gebildet hat.«
    Während er weitersprach, beobachtete Alison Roderick. Zuerst war er gleichgültig. Er glaubte es nicht. Dann zeigte er skeptisches Interesse, das schließlich von wachsender Unruhe und Erregung abgelöst wurde. Und Alison begann wieder zu hoffen.
    »Unter uns ist ein Psychologe, der mir bald Fragen stellen wird«, bemerkte Dr. Smith mit einer ruckartigen Kopfbewegung zu Roderick. »Ich selbst bin genausowenig Psychologe wie jeder andere praktizierende Arzt, aber bevor ich bestimmte Fälle erwähne, muß ich auf einen Punkt hinweisen. Jeder Androide wächst mit dem Wissen auf, daß er oder sie keine Kinder haben kann. Das ist ein in unserer Zivilisation allgemein anerkanntes Phänomen. Ich glaube nicht, daß diese Einstellung berechtigt ist. Hören Sie, warum.«
    Niemand unterbrach ihn. Sein Vortrag war trocken und ohne Schwung, aber er blieb bei der Sache und machte es kurz.
    Er schilderte den Fall der Betty Gordon Holbein, die vor hundertfünfzig Jahren gelebt hatte. Niemand im Gerichtssaal hatte je von Betty Gordon Holbein gehört, einer jungen Frau menschlichen Ursprungs, die von einem Androiden vergewaltigt worden war. Der Androide war daraufhin gelyncht worden, Betty Holbein jedoch brachte nach neun Monaten ein normales Kind zur Welt.
    »Die Unterlagen – Zeitungsberichte und ein Polizeiprotokoll – liegen in einem Archiv und wurden vor etwa neunzig Jahren in Buchform veröffentlicht, zusammen mit einer ausführlichen Darstellung. Es scheint viel Interesse und allgemeine Entrüstung gegeben zu haben, als die Frau vergewaltigt wurde, aber von der Geburt des Kindes wurde kaum Notiz genommen. Weil man schon damals zu wissen glaubte, daß Androiden unfruchtbar sind, schenkte man den Erklärungen der Frau keinen Glauben und ging davon aus, daß das Kind vor oder nach der Vergewaltigung von einem anderen Mann empfangen worden sei.
    Ein zweiter Fall«, fuhr Dr. Smith fort, »ereignete sich vor knapp hundert Jahren. Ein Androidenmädchen wurde in einem Wald gefunden, mehr tot als lebendig. Ringsherum waren die Spuren vieler Füße. Man hatte sie schwer mißhandelt und mit Zigaretten gebrannt. Obwohl sie überlebte, litt sie danach für den Rest ihres Lebens an geistigen Störungen.

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