Das Phantom im Netz
hatte, welches Namen und Telefonnummern von registrierten Nutzern mit Konten auf dem Dockmaster-System lieferte. Mit einem Zugang zum Arpanet kam aber jeder an diese Daten ran.
Auf der Computerschule gab es unterdessen nicht nur männliche Studenten. Eine meiner Mitschülerinnen war süß und zierlich und hieß Bonnie. Ich war nicht gerade der bestaussehende Typ dort. Schließlich schleppte ich einiges an Bauchfett mit mir herum. Das hatte ich mir über die Jahre kontinuierlich angefressen, seit mir mein damaliger Kumpel auf unseren ausgiebigen Busfahrten beigebracht hatte, Junkfood als Grundnahrungsmittel zu betrachten. Ich hatte um die 25 Kilo Übergewicht. »Korpulent« wäre noch eine sehr höfliche Beschreibung gewesen.
Aber ich fand sie echt süß. Wenn wir gleichzeitig im Computerraum an unseren Projekten arbeiteten, schickte ich ihr Nachrichten mit der Bitte, meine auf höherer Priorität laufenden Programme nicht abzubrechen, und ihre Antworten waren immer einigermaßen freundlich. Ich lud sie zum Abendessen ein. Sie sagte: »Ich kann nicht. Ich bin verlobt.« Aber wie beim Hacken gab ich auch hier nicht so leicht auf, weil sich meist doch etwas ergab. Ein paar Tage später machte ich ihr ein Kompliment für ihr Lächeln und bat sie noch einmal, mit mir auszugehen. Und dieses Mal nahm sie die Einladung tatsächlich an.
Kurze Zeit später erzählte sie mir von ihrem Verdacht, dass ihr Freund sie bezüglich seiner Finanzen belogen hatte – wie viele Autos er besaß und wie viele Schulden er deswegen hatte. Ich bot ihr an: »Ich kann es für dich rausfinden, wenn du willst.« Bonnie war einverstanden.
Durch einen glücklichen Zufall hatte ich noch während der Highschool Zugriff auf die Daten der Wirtschaftsauskunftei TRW bekommen. Was auch keine große Kunst gewesen war. Eines Nachts wühlte ich in der Mülltonne der Ford-Niederlassung Galpin im San Fernando Valley. Nach etwa einer Viertelstunde schon fand ich etwas Lohnendes: einen Stapel Kreditauskünfte von Kunden des Autohändlers. Unglaublich, aber wahr: Auf jeder Auskunft war der Zugangscode von Galpin bei TRW aufgedruckt. (Noch weniger zu fassen ist, dass TRW die Codes Jahre später immer noch auf jede Kreditauskunft druckte.)
Damals war TRW Kunden gegenüber äußerst zuvorkommend. Wenn man dort anrief, den Namen und Zugangscode eines Händlers nannte und angab, man kenne die übliche Vorgehensweise nicht, erklärte einem die nette Dame ganz genau, wie man eine Kreditauskunft über jemanden bekam. Sehr nützlich für echte Kunden, aber auch sehr nützlich für Hacker wie mich.
Als Bonnie mich also bat, herauszufinden, was ihr Freund so trieb, hatte ich schon alles, was ich dazu brauchte. Es kostete mich nur einen Anruf bei TRW und ein paar Stunden am Computer, und schon hatte ich seine Kreditauskunft, seinen Kontoauszug und seine Vermögensdaten. Bonnies Verdacht hatte sich bestätigt: Er war nicht einmal annähernd so vermögend, wie er behauptet hatte, und ein Teil seiner Konten war sogar gesperrt. Laut Fahrzeugregister war ein Auto immer noch auf ihn angemeldet, von dem er Bonnie erzählt hatte, er habe es verkauft. Ich fühlte mich ziemlich mies dabei, denn ich wollte ihre Beziehung nicht zerstören. Aber sie löste die Verlobung.
Zwei oder drei Wochen später, als sie über den ersten Trennungsschmerz hinweg war, gingen wir miteinander aus. Obwohl sie sechs Jahre älter war und in Sachen Beziehungen sehr viel mehr Erfahrung hatte, hielt sie mich für clever und gut aussehend, trotz meines Übergewichts. Es war meine erste richtige Beziehung, und ich war im siebten Himmel.
Bonnie und ich hatten beide eine Vorliebe für thailändisches Essen und Kino, und sie begeisterte mich für das Wandern, was eigentlich gar nicht zu mir passte. Sie zeigte mir die traumhaften Wanderwege durch die nahe gelegenen San Gabriel Mountains. Bonnie war fasziniert von meinem Talent, Menschen Informationen zu entlocken. Über eine zufällige Gemeinsamkeit muss ich heute noch lachen: Meine neue Freundin bezog ihr Gehalt und ihr Schulgeld von einem meiner Hauptziele für Hackerangriffe: der Telefongesellschaft GTE!
Nach dem halben Jahr, das ich für meinen Abschluss auf der Computerschule verbringen musste, blieb ich noch ein wenig länger. Der Systemadministrator, Ariel, hatte monatelang versucht, mich dabei zu erwischen, wie ich mir Administratorrechte für das Großrechner-System der Schule verschaffte. Schließlich versteckte er sich im Rechnerraum hinter
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