Das Phantom im Netz
Techniker vor Ort hatte, der direkt am Hauptverteiler saß. Wir konnten Anrufe zurückverfolgen, neue Telefonnummern anlegen, Anschlüsse stilllegen, individuelle Zusatzoptionen aktivieren oder deaktivieren, Fangschaltungen legen und Ergebnisse von Fangschaltungen abfragen. (Eine Fangschaltung ist ein Dienst, bei dem die Nummer eines Anrufers ermittelt wird. Üblicherweise wird er in Fällen telefonischer Belästigung eingesetzt.)
Lenny und ich steckten von 1985 bis Ende 1986 sehr viel Zeit in die Sache. Schließlich hatten wir alle Hauptverteiler von Pacific Bell geknackt, dann die in Manhattan, Utah und Nevada und viele andere im ganzen Land. Eines unserer Ziele war die Chesapeake and Potomac Telephone Company (C&P), die den Großraum Washington, D. C., versorgte, einschließlich aller im Hauptstadtdistrikt ansässigen Bundesministerien und des Pentagon.
Die Nationale Sicherheitsbehörde (NSA) war eine Versuchung für mich, der ich nicht widerstehen konnte. Das Telefonnetz der NSA hing an einem Hauptverteiler in Laurel, Maryland, auf den wir bereits zugreifen konnten. Bei der Telefonauskunft ist die Behörde offiziell mit der Nummer 301 688-6311 gelistet. Ich probierte ein paar Nummern mit demselben Präfix aus, und das Ergebnis bestätigte mich in meiner Vermutung, dass alle Nummern mit diesem Präfix zur NSA gehörten. Mithilfe einer Testfunktion der Vermittlungstechniker namens »Talk & Monitor« konnte ich nach dem Zufallsprinzip Telefongespräche mithören. So landete ich in einem Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau. Ich konnte kaum glauben, dass ich gerade die NSA belauschte. Ich fand es toll und war gleichzeitig nervös. Welch eine Ironie – ich hörte gerade die größten aller Lauscher ab.
Okay, ich hatte bewiesen, dass ich es konnte, und jetzt war es allerhöchste Zeit, den Rückzug anzutreten. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, worüber die beiden sprachen, und ich wollte es auch gar nicht wissen. Wenn es um etwas wirklich Heikles gegangen wäre, hätten sie bestimmt eine abhörsichere Leitung benutzt. Aber auch so war es einfach zu riskant. Auch wenn man mich mit großer Wahrscheinlichkeit nie geschnappt hätte, habe ich das nur ein einziges Mal gemacht und es auch nie wieder versucht.
Die Regierung fand nie heraus, dass ich so weit vorgedrungen war. Und ich würde es hier ganz sicher nicht erzählen, wenn die Sache nicht schon lange verjährt wäre.
Für Lenny und mich war jedes geknackte SCCS ein Kick. Es war, als hätten wir damit den nächsthöheren Level in einem Videospiel erreicht.
Es war der bedeutendste Hackerangriff meiner Karriere, allein schon wegen der unglaublichen Kontrolle und Macht, die wir über Telefonsysteme in einem Großteil der USA erlangt hatten. Und doch haben wir nie einen persönlichen Nutzen daraus gezogen. Für uns lag der Reiz einfach darin, diese Macht zu haben.
Pacific Bell fand das mit unseren Zugriffen schließlich heraus. Aber wir wurden nie verhaftet oder angeklagt. Später erfuhr ich, dass die Unternehmensleitung befürchtete, dass andere von unseren Erfolgen erfahren und versucht sein könnten, es uns nachzumachen.
Zwischenzeitlich war auch Lennys Zugriff auf das Dockmaster-System nicht unbemerkt geblieben. Die NSA verfolgte den Einbruch zu Hughes zurück, wo man wiederum die Verbindung zu dem Computerraum zurückverfolgte, in dem Lenny an dem Abend meines Besuches gearbeitet hatte. Zunächst verhörte ihn der Sicherheitsdienst von Hughes, dann wurde er vom FBI zu einer offiziellen Anhörung vorgeladen. Lenny besorgte sich einen Anwalt, der ihn zu dem Treffen begleitete.
Lenny erzählte den Agenten, dass weder er noch ich uns jemals am Dockmaster zu schaffen gemacht hätten. Die Geschäftsleitung von Hughes nahm ihn mehrfach in die Mangel. Aber er ließ sich nicht unterkriegen und hielt dicht. Viel später erst behauptete er, um seinen eigenen Hals zu retten, ich habe mich bei meinem Besuch in das Dockmaster-System eingehackt. Auf die Frage, warum er bisher über meine Beteiligung gelogen hätte, erzählte er, ich habe ihm gedroht, ihn zu töten, falls er mich verriet. Ihm ist wohl keine bessere Ausrede eingefallen, warum er die Bundesagenten belogen hatte.
Das Besucherverzeichnis bewies, dass ein Kevin Mitnick sich als Gast von Lenny eingetragen hatte. Bei Hughes flog er natürlich in hohem Bogen raus.
Zwei Jahre später wurde ich beschuldigt, im Besitz geheimer Zugangscodes der NSA zu sein, obwohl ich nur das Ergebnis einer »Whois«-Abfrage
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