Das Phantom im Netz
einem Vorhang und sah, wie ich in seinem Verzeichnis stöberte. Er hatte mich auf frischer Tat ertappt. Aber anstatt mich jetzt aus dem Kurs zu werfen, machte er mir ein Angebot: Er war beeindruckt davon, wie ich es geschafft hatte, mich in den Schulcomputer zu hacken. Wenn ich mich bereit erklärte, die Sicherheit des IBM-Minirechners der Schule zu verbessern, indem ich entsprechende Programme schrieb, bekäme ich Extrapunkte für diese »Abschlussarbeit«. Das muss man sich mal überlegen: Da bildet die Schule Studenten in der hehren Kunst der Informatik aus, aber beauftragt einen Studenten mit der Verbesserung der eigenen Sicherheit. Das war eine wichtige Premiere für mich. Ich nahm den Vorschlag als Kompliment und den Auftrag an. Nach Beendigung des Projekts bekam ich einen Abschluss mit Auszeichnung. Und Ariel und ich wurden Freunde.
Das Computer Learning Center bot einen besonderen Anreiz für Studenten: Mehrere renommierte Firmen rekrutierten regelmäßig Absolventen der Schule. Eine dieser Firmen war Bonnies Arbeitgeber, GTE, das langjährige Ziel meiner Hackerangriffe. Besser hätte ich es mir nicht wünschen können.
Ich bekam ein Vorstellungsgespräch in der IT-Abteilung von GTE, wurde sogar noch zu einem zweiten Gespräch mit drei Leuten aus der Personalabteilung gebeten und bekam schließlich einen Job als Programmierer. Damit wurde ein Traum für mich wahr! Ich würde nie wieder hacken, weil ich es nicht mehr nötig hatte. Ich durfte am Ort meiner Träume das tun, was ich am meisten liebte – und wurde auch noch dafür bezahlt!
In einer ersten Einführung wurden den Neuen erst einmal die Namen und Funktionen der verschiedenen Computersysteme bei GTE erklärt. Hallo? Das hier war eine Telefongesellschaft! Ich hätte diesen Kurs geben können. Stattdessen saß ich einfach da und machte Notizen wie alle anderen.
Ein cooler neuer Job, tägliches Mittagessen mit meiner Freundin in der Kantine, ein richtiger Gehaltsscheck – ich hatte es geschafft! Wenn ich durch die Büros ging, musste ich beim Anblick von Hunderten von Notizzetteln mit Benutzernamen und Passwörtern, die gut sichtbar überall angeklebt waren, grinsen. Ich war wie ein trockener Säufer auf einer Besuchertour durch die Brennerei »Jack Daniels«, zuversichtlich, aber beinahe benommen von den schieren Möglichkeiten.
Bonnie und ich aßen regelmäßig mit einem ihrer Freunde zu Mittag, der in der Sicherheitsabteilung arbeitete. Ich achtete immer darauf, dass mein Firmenausweis umgedreht war. Offensichtlich hatte er meinen Namen nicht mitbekommen, als Bonnie uns vorgestellt hatte. Da hielt ich es für besser, dass ihm von meinem Namensschild nicht die Leuchtschrift »meistgesuchter Telefon-Hacker« entgegenblinkte.
Insgesamt war dies eine der besten Zeiten in meinem Leben. Wer dachte da schon ans Hacken?
Aber nach nur einer Woche ließ mein neuer Boss meine schöne neue Welt einstürzen. Er überreichte mir einen Antrag der Sicherheitsabteilung für eine neue Zugangskarte, mit der ich rund um die Uhr Zutritt zum Computerzentrum bekam, da ich Rufbereitschaft für Notfälle haben würde. Ich wusste sofort, dass ich rausfliegen würde. Die Sicherheitsleute von GTE würden auf den ersten Blick meinen Namen erkennen und sich wundern, wie ich die ganzen Sicherheits-Checks überstanden hatte und eingestellt worden war – noch dazu als Programmierer.
Ein paar Tage später hatte ich auf dem Weg zur Arbeit ein ungutes Gefühl. Am späten Morgen wurde ich zu meinem Abteilungsleiter gebeten. Dessen Vorgesetzter, Russ Trombley, händigte mir meinen Gehaltsscheck plus Abfindung aus und sagte, er müsse mich entlassen, weil meine Arbeitsreferenzen nicht gut gewesen seien. Offensichtlich eine Ausrede. Ich hatte nur Leute als Referenz angegeben, die Gutes über mich berichten würden.
Ich wurde zu meinem Schreibtisch zurückeskortiert, um meine persönlichen Sachen einzupacken. Wenige Minuten später tauchte ein Trupp Sicherheitsleute auf, darunter auch der Typ, mit dem Bonnie und ich zu Mittag gegessen hatten. Zwei von ihnen durchsuchten meine Schachtel mit Disketten nach Firmeneigentum oder was auch immer. Sie fanden natürlich nichts, nur Software, die ich rechtmäßig haben durfte. Der ganze Trupp begleitete mich zum Ausgang und sogar bis zum Auto. Beim Wegfahren blickte ich in den Rückspiegel und sah, wie sie mir alle nachwinkten.
Meine Karriere bei GTE hatte ganze neun Tage gedauert.
Später hörte ich, dass die Sicherheitsleute von
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