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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Boden ergoss und in die Blutbäche aus dem Pappkarton mündete.
    Voller Grauen wandte sich Paul ab, eilte zur Wohnungstür, riss sie auf. Ein schmaler, älterer Herr stand ihm gegenüber. Er hatte krauses Haar und steckte in einem viel zu engen, altmodischen Frack. Paul hatte ihn noch nie im Leben gesehen.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte er entgeistert.
    Der Mann sah ihn aus irren Augen an. »Das spielt keine Rolle«, sagte er mit heiserer Fistelstimme. »Es ist alles nur Theater!«
    »Theater?«, fragte Paul entgeistert.
    »Theater, ja, Theater!« Das Männlein lachte schrill. »Ich suche meine Requisite. Haben Sie sie gesehen? Mir ist ein Kopf abhanden gekommen.«
    »Ein Kopf?« Paul schaute sich zweifelnd um. »Ich habe einen Kopf gefunden. Aber er ist echt. Er blutet …«
    Das Männlein machte fahrige Bewegungen mit seinen Armen. »Unsinn! Alles Theaterblut! Geben Sie ihn her! Ich brauche den Kopf! Heute ist Premiere!«
    Paul war verwirrt. Mehr noch irritierte ihn das ausgelassene Lachen der anderen Männer, die plötzlich in das Gelächter des Alten einfielen. Er konnte sie nicht sehen, aber immer deutlicher hören. Sie klangen fröhlich und ungezwungen.
    Ihre Stimmen kamen ihm vage bekannt vor. Paul reckte und streckte sich. Er blinzelte. Und dann sah er seinen Radiowecker im blendenden Licht der Morgensonne. Er brauchte noch eine Weile, um sich zu orientieren. Dann konnte er die Stimmen einordnen: Es waren die der Moderatoren aus der Morning Show auf Radio Gong.
    Paul drückte die Schlummertaste und drehte sich noch einmal auf die Seite. Was für ein Traum, dachte er schlaftrunken. Hoffentlich war das kein Vorbote kommender Ereignisse …

2
    Er hielt die kleine Schatulle zwischen Daumen und Zeigefinger, drehte sie langsam um ihre eigene Achse und begutachtete das Geschenkpapier, das sie umhüllte. Das Papier war hellgrün. Denn Grün ist die Farbe der Hoffnung.
    Er saß an einem schattigen Plätzchen im Biergarten des Goldenen Ritters und war vom Scheitel bis zur Sohle erfüllt von einer prickelnden Nervosität. Seine Blicke glitten von dem Schmuckkästchen zum Eingang des Biergartens und dann wieder zurück auf die Schatulle. Hin und wieder sah er auch auf die Uhr. Seine Verabredung war spät dran.
    Paul wurde unruhiger, je länger er warten musste. Um sich abzulenken, nahm er eine Tageszeitung zur Hand, die jemand auf der Bierbank liegen gelassen hatte. Er blätterte durch den überregionalen Teil, überflog den Sport und die Lokalnachrichten. Bei den Familienanzeigen hielt er inne: Die Trauermeldungen wurden heute von einem Namen dominiert. Nicht weniger als sieben Nachrufe in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Unterzeichnern widmeten sich ein und demselben Verstorbenen. Sein Name: Wolfram Schillinger. Der Nürnberger Großindustrielle war bei einem Flugzeugabsturz in Südamerika ums Leben gekommen. Paul gingen seine eigenen, sehr schmerzlichen Erfahrungen mit diesem Mann durch den Sinn, und er fragte sich, ob es verwerflich war, dass er in diesem Moment so etwas wie Genugtuung empfand.
    Dann schlug er die nächste Seite auf und gelangte zu den Geburten. Unter den Neuzugängen zu Nürnbergs Bevölkerung war ein kleines Mädchen, das von seinen stolzen Eltern mit liebevollen Worten und einer Teddybärzeichnung begrüßt wurde. Der Teddybär hatte einen Löffel in den winzigen Pfoten und eine Kochmütze auf dem runden Kopf. Mama und Papa hatten mit ihren Vornamen Jan-Patrick und Marien unterzeichnet.
     
    Das Leben ist ein Kommen und Gehen, dachte sich Paul und legte die Zeitung versonnen beiseite.
    Wieder sah er auf die Uhr und dann in Richtung des Eingangs. Er wollte gerade eine zweite Apfelschorle bestellen, als er eine wohlbekannte, aber heute ganz und gar unwillkommene Gestalt erspähte. Schnell sah er weg und rückte tiefer in den Schatten. Doch es war bereits zu spät.
    »Ja, wen haben wir denn da? Ganz versteckt im hintersten Winkel. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze? Ich verbringe meine Mittagspause so ungern allein.«
    Paul hatte eine ganze Menge dagegen. Wenn es einen Menschen gab, den er hier nicht treffen wollte, dann war es Victor Blohfeld. Doch der Reporter rutschte unaufgefordert neben ihn auf die Bank und musterte ihn aus seinem blassen, unrasierten Gesicht. Paul schnappte sich blitzschnell die Zeitung und warf sie über das Schmuckkästchen.
    Diese Bewegung machte den Reporter erst recht aufmerksam. Er schob die Zeitung beiseite und tippte

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