Das Phantom im Opernhaus
Genau wie Beleuchter Glück stellt sie nur eine Randfigur dar – eine von vielen.«
»Diese Einschätzung ist ziemlich treffend«, stimmte Paul nachdenklich zu. »Man konnte sich in diesem Fall sehr schnell verzetteln und aufs falsche Pferd setzen. Mir zum Beispiel ist es so gegangen, als ich auf eine Notiz gestoßen bin, die Baumann auf einem alten Programmheft hinterlassen hatte. Wir werden nicht mehr erfahren, worum es dabei eigentlich ging, aber für unseren Fall war es jedenfalls ohne Bedeutung. In manches hat man einfach zu viel hineininterpretiert und dabei das Wesentliche aus den Augen verloren.«
Daraufhin entspannten sich Katinkas Gesichtszüge wieder. Sie zwinkerte Paul zu und fragte: »War es das? Bist du fertig?«
»Nein!«, antwortete Paul etwas zu heftig. »Was fehlt, sind Erklärungen für all die Dinge, die mir passiert sind: Angefangen von meinen unfreiwilligen Aufenthalt in den Kellerfluren bis zu meinem Beinahesturz von der Bühnengalerie. Wer hatte es da auf mich abgesehen?«
Katinka schmunzelte, was Paul in diesem Moment wurmte. »Jedenfalls hat dir niemand ernsthaft nach dem Leben getrachtet«, meinte sie. »Als es wirklich brenzlig wurde, war Hilfe zur Stelle. So hast du es selbst zu Protokoll gegeben.«
»Ja, aber trotzdem: Wer steckte hinter diesen Mordanschlägen?«
»Keine Mordanschläge.« Katinka schüttelte den Kopf und sah irgendwie belustigt aus. »Wenn überhaupt, dann waren es Drohungen. Warnungen an den Schnüffler, sich künftig herauszuhalten. Insofern stecke vielleicht sogar ich selbst dahinter.«
»Sehr witzig«, sagte Paul eingeschnappt.
»Ist es nicht müßig, dem noch nachzugehen?«, hielt Katinka Pauls Besorgnis entgegen. »Ich verstehe ja, dass du dich erschreckt hast und einige sehr unangenehme Momente durchleben musstest. Aber wahrscheinlich handelte es sich in beiden Situationen um zufällige Begebenheiten. Um Unfälle, wie sie tagtäglich in großen Betrieben wie dem Opernhaus passieren.«
»Das glaube ich nicht!«
»Na, dann …«, Katinka lächelte wieder ein wenig süffisant, »… war es wohl doch das Phantom.« Mit diesen Worten hob sie die Hand und ließ ihren Verlobungsring funkeln. »Aber jetzt wollen wir uns endlich angenehmeren Dingen zuwenden. Das Leben besteht ja nicht nur aus Mord und Totschlag.«
Paul sah ein, dass er sich lächerlich machen würde, wenn er weitere Fragen dieser Art stellte. »Stimmt«, sagte er daher nur und schenkte seiner Zukünftigen einen versonnenen Blick.
Er schob alle Gedanken an Mord und Totschlag beiseite. Denn Katinka hatte recht: Das Leben bestand für sie beide in diesem Moment nur aus Liebe.
Mein besonderer Dank gilt Dr. Hanna Stegbauer und Dr. Uwe Meier, durch deren großartige Unterstützung ich mich in die Opernwelt einfinden konnte. Lieben Dank für Tipps und Kritik an Astrid Seichter, Marlene Quatro, Kerstin Hasewinkel und Sabine Gräwe. Ich danke außerdem meiner Frau und »Erstleserin« Susanna und meinen Eltern, denen dieser Roman gewidmet ist.
Die Geschichte des Phantoms im Opernhaus ist reine Fiktion und nicht an den tatsächlichen Nürnberger Opernbetrieb angelehnt. Die Örtlichkeiten, Funktionen und Akteure in der Nürnberger Oper und auch die Abläufe des Opernballs wurden den Erfordernissen der Handlung angepasst und verändert. Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.
Jan Beinßen
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